Das Ende einer Ära
Grob kann man die Geschichte des Regiments wie folgt einteilen:
- vor 1920 (Die Geschichte und Tradition der Vorgänger-Regimenter, die noch ganz im Zeichen der klassischen Kavallerie-Traditionen stehen)
- 1920-1937 (Regimentsgründung und Übernahme der Traditionen, die stolz fortgeführt werden; Erste Umstrukturierungen und Modernisierungen kündigen bereits den Beginn neuer Zeiten an.)
- 1937-1945 (Abtrennung von Traditionen und Heimat; Aufteilung des Regiments im Zuge des Krieges; Die zunehmende Motorisierung der Truppen macht deutlich, dass berittene Soldaten nicht mehr zeitgemäß sind.)
- nach 1945 (Der verlorene Krieg und die Auflösung der Wehrmacht markieren das endgültige Ende der deutschen Kavallerie.)
Doch die überlebenden Regimentsmitglieder verbindet die gemeinsame Tradition noch immer. Die gemeinsamen Erlebnisse und der kameradschaftliche Geist bilden ein festes Band, das den Krieg überdauert hat.
Im Jahre 1952 wurde durch den ehemaligen Stabsintendanten Peter Döbster die "Kameradschaft des ehemaligen Kavallerie-Regiments 6" ins Leben gerufen.
Diese vereinsmäßig organisierte Kameradschaft führte regelmäßige Jahreshauptversammlungen durch, auf denen denen alle zwei Jahre der Vorstand (1. Vorsitzender, 1. Schriftführer, 2. Schriftführer, 1. Rechner, 2. Rechner sowie Beisitzer) neu gewählt wurde. Der Kameradschaft gehörten neben ehemaligen Soldaten des Kavallerie-Regiments 6 auch Witwen ehemaliger Soldaten des Regiments sowie einige in- und ausländische Freunde und Förderer an.
Zu den Aktivitäten der "Kameradschaft der Angehörigen des ehem. Kav.-Rgts. 6 und seiner Aufklärung-Abteilungen" gehörten:
- Die regelmäßige Jahreshauptversammlung
- Die Herausgabe eines Nachrichtenblattes in Heftform, das mehrmals pro Jahr erschien
- Förmliche und offizielle Geburtstagsglückwünsche an Mitglieder mit rundem Geburtstag
- Bekanntmachung von Todesfällen aus dem Kreise der Kameradschaft, Übermittlung von Kondolenzwünschen an die Hinterbliebenen und Entsendung einer Delegation zur Trauerfeier
- Organisation von Fahrten zu Gedenkstätten, Kranzniederlegungen
- Organisation von Traditionstreffen unterschiedlicher Art
- Förderung der Kommunikation und des Austauschs untereinander
- Veröffentlichung von schriftlichen Beiträgen zur Regimentsgeschichte
- Pflege der Beziehungen zu befreundeten Einheiten, insbesondere zum Pz.Aufkl.Lehr-Btl 11 in Munster
Zum PzAufklLehrBtl 11 in Munster (aufgestellt am 16.3.1959) hatte die Kameradschaft eine enge Beziehung, denn dieses hatte die Tradition des Regiments übernommen und führte sogar den Schwedter Adler als Wappen. Es gab zahlreiche gegenseitige - auch hochrangige - Besuche und man lud sich gegenseitig zu vielen offiziellen Veranstaltungen ein. Das PzAufklLehrBtl 11 richtete auch einen "Traditionsraum" an ihrem Standort ein, in dem Schriftstücke jeglicher Art wie Urlaubsscheine, Fahrkarten, Urkunden über Beförderungen, Entlassungen, Auszeichnungen sowie Fotografien, die mit dem ehemaligen Kav.-Rgt. 6 in Verbindung standen, aufbewahrt und ausgestellt waren. Das PzAufklLehrBtl 11 wurde am 31.3.1997 aufgelöst.
Streik in Workuta - damals! von Dr. Paul Klausch
"Im Juni 1953 kam ein Transport politischer Gefangener in das Strafgebiet Workuta/Nördl. Eismeer, die bereits 23-24 Jahre Zwangsarbeit im Wüstengebiet von Karaganda (Centralasien) verbüßt hatten. Auf Anordnung des MWD sollten sie den Rest ihrer 25jährigen Lagerstrafe unter erleichterten Bedingungen und in einem milderen Klima abbüßen. Dazu hatte sie das MWD ausgerechnet in die Eiswüste Workuta verschickt, wo sie das Gegenteil erwartete und wo die Freiheit nur noch der Tod war! - Die Neuankömmlinge sahen sich betrogen, waren physisch und psychisch am Ende; ich sehe heute noch ihre verzweifelten Gesichter. - Sie weigerten sich zu arbeiten. Einige der Alteingesessenen erklärten sich mit ihnen solidarisch - und dann kam es zum Streik - der sich in Windeseile über das Strafgebiet ausbreitete! -
Hierüber berichtete auch vor längerer Zeit der damalige wallonische Leidensgenosse und Angehörige des Streikkomitees im 7. Schacht "Armand Maloumian" im Journal "Die Welt": Mit Rudenkos Schüssen begann das Massaker!" - Ich zitiere aus seinem Bericht: "Streiken ist leicht im freien Teil der Welt; in den sowjetischen Lagern war es unmöglich. Man mußte dazu schon geisteskrank oder aber sehr beherzt sein. Zahlreiche Aufstände und Revolten in den 30er, 40er und 50er Jahren beweisen den Mut, aber auch die Verzweiflung derjenigen, die in diesen Lagern festgehalten wurden und die es oft genug vorzogen aufrecht zu sterben als auf Knien zu leben. - In der Grube 7 von Workuta begann am 22. Juli 1953 der wohl machtvollste Streik in der Geschichte der Sowjetunion. Workuta, eines der berüchtigten Lager des Archipel GULag, liegt jenseits des Polarkreises am 67. Breitengrad! -
29. Juli: Eine Delegation aus Moskau kommt in's Lager. Sie wird geleitet vom stellvertretenden Innenminister und Mitglied des Obersten Sowjet, dem Armeegeneral und zweifachen Helden der Sowjet-Union Masslenikow, sowie dem Generalstaatsanwalt Rudenko (ehem. Hauptankläger in Nürnberg). Die Delegation ist 30 Mann stark. Inzwischen sind aber auch schon zwei Sonderdivisionen des MWD in Workuta eingetroffen! -
30. Juli: Lautsprecher werden auf den Stacheldrahtzäunen angebracht. Die militärischen Sondereinheiten umstellen das Lager. Die MG-Stellungen werden verstärkt, gepanzerte Fahrzeuge richten ihre Kanonen auf das Lager!
31. Juli: Aus den Lautsprechern erklingt Marschmusik! -
1. August: Rudenko und die Delegation stehen am Lagereingang. Rudenko versucht die Gefangenen zur Wiederaufnahme der Arbeit zu überreden. Die Gefangenen lehnen ab, aber verhalten sich strikt friedlich. Einige tragen Transparente mit den Worten: "Mir!" (Frieden). Dann ergreift Rudenko den Ärmel des polnischen Gefangenen Ignatiewicz und versucht ihn mitzuziehen; aber Ignatiezicz kann sich losreißen. Rudenko zieht seine Pistole und tötet Ignatiewicz mit zwei Kopfschüssen. Gleichzeitig wirft er sich zu Boden und die Soldaten eröffnen das Feuer! Es gab 481 Tote und 780 Verwundete! - Danach fahren 20 LKWs (ironischerweise aus amerikanischer Produktion) in das Lager. Die Toten und Verwundeten werden übereinander auf die Ladefläche geworfen. Dann verlassen die LKWs das Lager mit unbekanntem Ziel!" (Ende des Zitats)
Im Dezember 1955 / Januar 1956 erfolgte die Repatriierung der letzten Deutschen Kriegsgefangenen und der geringen Anzahl angeblicher Kriegsverbrecher, deren Verbrechen meist darin bestand, als Frontsoldaten ihre Pflicht erfüllt zu haben! Einige wurden aus unerklärlichen Gründen zurückbehalten. Sie sind nie zurückgekehrt! Zu ihnen gehörte auch der Leidensgenosse Paul Kalerke, der 1914 im 1. Weltkrieg als 12jähriger Knabe aus einem ostpreußischen Grenzdorf von Kosigen verschleppt wurde und seitdem (über 40 Jahre) in russischen Gefangenenlagern lebte. Andere wiederum wurden den DDR-Behörden übergeben. Sie mußten noch jahrelang - einige bis zu 10 Jahren - in ostdeutschen Zuchthäusern schmachten, von Deutschen gequält und gedemütigt. Ein paar haben das Zuchthaus nicht mehr lebend verlassen. Einige wurden von bundesdeutschen Gerichten - auf Anordnung der Alliierten - noch einmal zu lebenslanger Haft verurteilt, für dieselben angeblichen Verbrechen, für die sie bereits von sowjetrussischen Kriegsgerichten zur Höchststrafe verurteilt worden waren und von der sie inzwischen fast 11 Jahre unter unmenschlichen Bedingungen in sowjetischen Zwangsarbeitslagern verbüßt hatten. Ich denke hierbei besonders an den Prozeß gegen Gustav Sorge vor dem OLG Osnabrück!
Viele kehrten schwerkrank zurück, um unmittelbar nach ihrer Heimkehr in deutsche Erde begraben zu werden oder lagen noch jahrelang in Krankenhäusern. Vier meiner Kameraden nahmen sich das Leben. Einer von ihnen, ein ostpreußischer Arzt, wohnte dann auf einem Dachboden. Sein einziges Mobiliar war eine alte Matratze, auf der er schlief. Er schrieb noch das Buch: "Die Toten kehren zurück!" - Den Erlös verteilte er unter den Armen, obwohl er selbst in bitterster Armut lebte. Eines Tages fand man ihn tot auf dem Dachboden. Er hatte sich erhängt! - Viele Ehen waren kaputt, weil die Männer amtlich für tot erklärt - oder von ihren Frauen für tot geglaubt worden waren, - oder die Männer kehrten zurück, aber ihre Frauen und Kinder blieben im Osten verschollen. Der Kampf mit den Behörden war deprimierend. Niemand wollte die Heimatlosen und Kranken haben. Miese Bürokraten machten uns das Leben schwer. Zwischen ihnen und den Heimkehrern kam es zu Tätlichkeiten, die häßliche Gerichtsprozesse nach sich zogen. Manche wurden kriminell und landeten schließlich wieder im Gefängnis. Die Umstellung auf das zivile Leben war für die Nur-Soldaten besonders schwer. Bei der damals schlechten Arbeitsmarktlage bestand für die wenig Hoffnung, einen akzeptablen Arbeitsplatz zu finden. Viele mußten für geringen Lohn niedere Arbeiten verrichten oder mußten um Fürsorgeunterstützung betteln. Die 300,- DM Begrüßungsgeld waren schnell aufgezehrt und nicht jeder bekam eine Heimkehrerentschädigung. Durch Krieg und lange Gefangenschaft zu alt geworden, gelang es beruflich nur wenigen noch in die oberen Etagen aufzusteigen. Viele waren zu krank, um ihre Soldatenlaufbahn in der Bundeswehr fortsetzen zu können. Den Heimatlosen war es kaum möglich, Beweisunterlagen für den Erwerb einer Rente oder Pension zu erbringen. Entsprechend bescheiden war auch ihre Altersversorgung. Diejenigen also, die am längsten büßen mußten, wurden zum Schluß noch einmal bestraft!
Vae victis! (Wehe den Besiegten)"
Ein Blick zurück auf Schwedt an der Oder
Albert Ulrich besuchte 1989 die alten Garnisonstädte der 6. Reiter. Er schrieb:
"Unser altes Schwedt. Hier hat man am Stadtrand Industrie hingesetzt, hat Schwedt größtenteils neu aufgebaut. Nichts mehr, was an die Vergangenheit erinnert. Was mich interessierte, da sowohl die Kasernen und die fünf Unteroffizierhäuser überstanden haben, das "wie heute". Die Kasernen haben den alten Putz, Schmutz und Löcher. Die Uffz.-Häuser habe ich eingehend unter die Lupe genommen und komme zu dem Schluß "Asyl", von einst noch kein Handschlag gemacht! Vergammelt bus zum Gehtnichtmehr!
In diesen Tagen sollte man auch das nicht vergessen, Zeilen über die Situation in Schwedt im April 1945: Jenseits der Oder spielten die Russen jeden Abend deutsche Schlager. Sie nannten es die Stalinorgel und einen Tag vor "Führers"geburtstag meinten sie, und morgen werdet ihr ein kleines Wunder erleben. Geburtstagsgeschenk um 6.00 Uhr. Es sollte wohl für uns eine Mahnung sein, denn von Stund an war "er" nicht mehr zu sehen und hatte wohl gleich das Weite gesucht. Pünktlich ging es dann los. Unser Rathauskeller war über und über voll Menschen besetzt. Das Krachen der Schüsse. Der ganze Bau brannte und war schon über uns vernichtet. Als dann die Kellerdecke anfing zu bröckeln, suchten alle das Weite. Ganz Schwedt brannte!"
Ansprache von Fabian von Bonin-von Ostrau, Oberst a.D., für die Gedenkfeier am Volkstrauertag 1989 beim Panzeraufklärungslehrbataillon 11 in der Freiherr-von-Boeselager-Kaserne in Munster
"An diesem würdigen Gedenkstein haben sich wieder mehrere Generationen versammelt, um der Toten zu gedenken, die unter dem Schwedter Adler im Kriege gefallen sind und im Dienst für die Sicherung der Freiheit unseres Vaterlandes ihr Leben verloren haben.
In diese Trauer schließen wir alle Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft ein. Wenn auch Jahrzehnte darüber hingingen, ist es dennoch richtig, sich der Millionen Toten zu erinnern, die in dieser Katastrophe der Weltgeschichte zum Teil grauenvoll ums Leben kamen, denn jedes ausgelöschte Leben war für die Hinterbliebenen unersetzlich.
Das schließt auch unsere gefallenen Soldaten ein, und es ist leider zunehmend opportun, diese Opfer zu deklassieren, wobei man sich nicht scheut, Geschichtsbilder hierfür passend zurechtzuschustern. Ein Beispiel in dieser Richtung möge genügen:
In diesem Jahre wurde weniger an den Kriegsausbruch vor 50 Jahren erinnert, sondern an den sogenannten Überfall der Wehrmacht auf Polen. Die Wehrmacht hatte niemanden überfallen, sondern folgte dem Auftrag der Regierung. Darüber hinaus hatte Polen im Vertrauen auf das Bündnis mit England und Frankreich seine Streitkräfte vor dem deutschen Reich mobilisiert und eine kriegerische Auseinandersetzung billigend in Kauf genommen. Ein militärisch voll mobilisiertes Land kann somit nicht überfallen, sondern lediglich angegriffen werden, und das ist aus der Sicht der Soldaten geschehen. Ihnen politische Schuldzuweisungen anzulasten, ist eine penetrante Überheblichkeit.
Die Hauptlast des Krieges hatten im deutschen Heer die Soldaten aller Dienstgrade bis zur Divisionsebene zu tragen und diese war weit von politisch schuldhaften Fehlentscheidungen entfernt. In diesem Rahmen haben alle Soldaten unter dem Schwedter Adler tapfer und im besten Glauben für ihr Vaterland gekämpft und mußten eine hohe Zahl ihrer gefallenen Kameraden in fremder Erde bestatten. Daß diese zum Teil sehr ans Herz gewachsenen Freunde heute oft nur als Pechvögel eines Gewaltregimes abgetan werden, verbittert die alten Soldaten, die überleben durften, in hohem Maße. Als einen Ausdruck dieser Bitterkeit zitiere ich ein Gedicht, das ich jüngst im Nachrichtenblatt einer alten ostpreußischen Division gefunden habe:
Sie liegen im Westen und Osten
Sie liegen in aller Welt
Und ihre Helme verrosten
Und Kreuz und Hügel zerfällt.
Sie liegen verscharrt. Und versunken.
Im Massengrab und im Meer.
Aber es leben Halunken
Die ziehen noch über sie her!
Heut' tobt man mit frechem Gebaren
durch Flitter und Lüge und Glanz.
Sie fielen mit achtzehn Jahren
- in einem anderen Tanz!
Sie waren nicht ausgezogen
um Beute und schnöden Gewinn:
Was heute verlacht und verlogen:
es hatte für sie einen Sinn!
Sie hatten ihr junges Leben
nicht weniger lieb - als die
heut' höhnen: es hinzugeben
sei reine Idiotie!
Sie konnten nicht demonstrieren:
"Mehr Freiheit bei höherem Lohn!"
Sie mußten ins Feld marschieren.
Der Vater. Der Bruder. Der Sohn!
Sie gingen, die Heimat zu schützen
- und haben allem entsagt.
"Was kann uns der Einsatz nützen?"
hat keiner von ihnen gefragt!
Sie haben ihr Leben und Sterben
dem Vaterland geweiht.
Und wußten nicht, welchen Erben
- und welcher Erbärmlichkeit"!
Diese Verbitterung zielt treffend auf weite Bereiche der öffentlichen Meinungsbildung, jedoch nicht hier in die Freiherr-von-Boeselager-Kaserne, wo Soldaten der Bundeswehr mit Würde und Anstand gerade der Toden gedenken, die unter dem Symbol des Schwedter Adlers ihr Leben hingeben mußten, und dazu gehören auch die jungen Kameraden, die im Dienst dieses Bataillons für die Sicherung der Freiheit unseres Rechtsstaates den Tod fanden.
Dafür stehen wir alten Soldaten gerade jetzt unseren Freunden in der Bundeswehr zur Seite in einer Zeit, die ihren Verteidigungsauftrag leichtfertig in Frage stellt und in der auch Soldaten schamlos diffamiert werden. Hierzu zitiere ich den Auszug aus einem offenen Brief, den ein jungen Soldat im Grundwehrdienst veröffentlichte: "Ich finde es einfach unmöglich, daß in einer Zeit, in der es die Bundeswehr ohnehin schon schwer genug hat, sich zu legitimieren, ein dahergelaufener Arzt aus der Friedensbewegung sich so einfach auf Kosten der Bundeswehr profilieren kann. Als ob es geradezu 'chic' ist, auf Soldaten und Militär verbal einzuschlagen, und dabei können Soldaten ungestraft als Mörder hingestellt werden."
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Wir erleben aktuell den jetzt noch kaum erwarteten historischen Umbruch zu mehr Freiheit bei unseren östlichen Nachbarn und gravierend im anderen Teil unseres Vaterlandes. Der Staatsmann von 'Perestrojka' und 'Glasnost' hat diesen Stein ins Rollen gebracht, und man kann nur hoffen, daß er auf Erfolgskurs bleibt. Sicher ist das nicht, und ein freundliches Lächeln allein verändert weder die vorhandenen Machtblöcke noch das militärische Ungleichgewicht. Mögen die angelaufenen Verhandlungen für eine beiderseits ausgewogene Rüstungsbegrenzung Erfolg haben, aber bis dahin kann der Frieden leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden, wenn unsere Verteidigungsfähigkeit bereits jetzt so paralysiert würde, daß sie niemand mehr ernst nimmt. An geistigen Kräften in dieser Hinsicht besteht kein Mangel.
Deshalb gilt unser Dank den Kameraden der Bundeswehr und dieses Bataillons, die dennoch selbstlos, gewissenhaft und sorgfältig ihre Pflicht für unser Land erfüllen.
Mögen ihnen weitere Opfer für diesen ehrenvollen Dienst erspart bleiben."
Anlässlich des 19. Traditionstreffens der Regimentskameradschaft am 22./23. September 1990 hielt Ludwig Cornelius Frhr. v. Heyl vor dem Gedenkstein die Ansprache zum Gedenken an Oberst Heinrich-Walter Bronsart von Schellendorff, der sich im Krieg um die Traditionspflege und den Zusammenhalt der beiden verschiedenen Truppenteile verdient gemacht hat:
"...Zur alten Frage, ob Traditionsverbindungen von der Wehrmacht zur Bundeswehr angebracht sind, haben sich jüngst wieder kritische Stimmen gemeldet. Der Brigadegeneral Vogel im Streikkräfte-Amt hat gesagt, die Wehrmacht sei nicht traditionswürdig. Danach sollte auch eine 'kritische Sichtung' der Traditionsräume in den Kasernen sowie 'so mancher Ehrenhaine' usw. erfolgen.
Wir aber rühmen nicht 'die Wehrmacht', nicht den Krieg und auch nicht uns selbst. Wir pflegen das unvergängliche Ethos des Soldaten, das auf vier Säulen ruht: Gott - Vaterland - Ehre - Treue; und unser Verständnis geht 300 Jahre zurück bis zur Gründung unseres ruhmreichen Regiments. Nur dieser Sicht dürfen wir, als Mitstreiter des letzten Krieges, uns in die lange Reihe stellen, um die Tradition in die Zukunft weiter zu reichen. Dies haben unsere aktiven Kameraden in Munster voll verstanden. Unser Traditionsbewußsein verkörpert sich in der Person unseres gefallenen Kameraden, des Eichenlaubträgers Oberst Bronsart v. Schellendorff . . . .
1937 verfaßte er eine Regimentsgeschichte, die noch heute Wert hat. Mit seiner ihm eigenen schwungvollen Art bewältigte er die großen verantwortlichen Aufgaben, die ihm gestellt waren; seine Ausstrahlung und sein künstlerisches Talent befähigten ihn dazu, sich mit Erfolg für die Pflege der Kameradschaft einzusetzen . . . . So dichtete und komponierte er das Schwedter Reiterlied: 'Stolz sind wir, treu der Tradition - mein Regiment - meine Schwadron!'
Der schneidige Schwadronchef 1937-39, der eine glänzende Figur zu Pferde machte, der anerkannte Kommandeur der Aufklärungs-Abteilung 36 von 1939-42, war eine Persönlichkeit, die unbedingten Respekt genoß. Bei den Feldzügen in West und Ost wurde er als Vorbild und als Garant für soldatische Tugenden verehrt. Er war eine Respektsperson und gleichzeitig der Freund Aller."
Frhr. von Heyl erinnerte sich weiter: "Wenn ich an meinen alten Kommandeur denke, dann fällt mir nicht als Erstes sein Deutsches Kreuz 1942 und sein Ritterkreuz mit Eichenlaub ein, das er Anfang 1944 als Kdeur. des Pz.Gren.Rgts. 13 erhielt. Er war gewiß kein 'Eisenfresser'. Pedantische Kommissköpfe verachtete er als 'Backenzähne'. Das Bild seiner ritterlichen, feinnervigen, hochgebildeten, souveränen Persönlichkeit ist für mich ein Inbegriff innerer Freiheit - solange ich ihn kannte. Wenn da auch Schatten waren, dann hat sein Soldatentod am 22.9.1944 im Foret de Paroy als Kommandeur der 111. Panzerbrigade sie weit überstrahlt. Bronsarts freier Geist äußerte sich distanziert und spöttisch über Gefechtslagen, Situationen, Ärgernisse und über hohe und höchste Würdenträger. Er stand stets über den Dingen . . . . Bronsarts Herzenswunsch war, durch alle Umgliederungen, Einsätze, Schicksalsschläge und Verluste hindurch den Zusammenhalt des Regiments zu wahren. Er setzte sich dafür ein, daß jeder Soldat sich mit seiner 'militärischen Heimat', also mit seiner Schwadron, Abteilung, Regiment identifizieren solle und dürfe. Zusammengewürfelte Haufen taugen nichts; erprobte Einheiten halten fest zusammen . . . . Zum Abschied von Kalinin' dichtete Bronsart im November 1941:
'Die großen Plätze leer und ohne Laut
aufleuchtend nur vom Schnee, der gestern fiel
vom nächtigen Winterhimmel überbraut
die langen Straßen stumm und ohne Ziel
in denen noch die Straßenbahnen stehn.
Sie halten so, als sei'n es nur Stationen
indem die Gleise unter'm Schnee verweht
in Straßen, wo Menschen nicht mehr wohnen . . .
Wir scheiden heute, aber wir vergessen nicht
den Platz nicht, der sich bei den beiden Kirchen breitet
die stummen Kreuze, die in Reih und Glied dort stehn.
Schon dehnt die Ebene sich vor uns in weißer Weite
Vergangenes gibt uns schweigend das Geleite.' "
Das Massaker von Katyn
Im Sommer 1942 entdeckten polnische Zwangsarbeiter nahe Katyn ein Massengrab. Im April 1943 informierte die deutsche Regierung auch die internationale Öffentlichkeit über die Funde. Eine internationale Untersuchung wurde jedoch vor allem von der Sowjetunion abgelehnt. Es wurde vielmehr behauptet, dass die Massenmorde von Deutschen begangen wurden.
Ein ehemaliger Kamerad aus dem Kavallerie-Regiment 6 äußerte sich nach dem Krieg in den 1980er Jahren dazu: "Was dort passiert ist, ist absolut schrecklich. Aber wir waren's doch nicht! Als wir dort hinkamen, waren sie doch schon alle tot!"
Bis an das Ende seines Lebens hat der Kamerad darunter gelitten, dass den deutschen Soldaten dieses Kriegsverbrechen zu Unrecht angelastet wurde. Leider erlebte er es nicht mehr, dass der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow im April 1990 zugab, dass diese Massenerschiessungen von Angehörigen des Sowjetischen Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten (NKWD) verübt worden waren.
Major a.D.d.Res. Professor Dr. phil. Julius Gerken wurde am 31. Oktober 1991 100 Jahre
Professor Gerken wurde im Pfarrhaus zu Braustet (Kreis Wesermünde) geboren. Nach Versetzung seines Vaters 1897 nach Verden besuchte er das dortige Domgymnasium. Nach der Reifeprüfung erlernte er die praktische Landwirtschaft. Mit Beendigung der Lehrzeit trat er am 1.10.1913 als Einjährig-Freiwilliger in das 2. Hannoversche Feldartillerie-Rat. Nr. 26 in Verden ein, nahm zuletzt als Leutnant d.Res. am 1. Weltkrieg teil. Danach studierte er an der Universität Göttingen, legte die Diplom- und Tierzucht-Inspektorprüfung ab, promovierte zum Dr.phil. Dem folgte eine kurze Gutsverwaltertätigkeit, der sich eine einjährige pädagogische Ausbildung zum Landwirtschaftslehrer an der Höheren Landwirtschaftsschule in Hildesheim anschloss. Sein weiterer Lebensweg: Landwirtschaftslehrer, Direktor der Ackerbauschule und Wirtschaftsberatungsstelle in Bremervörde, leitender Studiendirektor der Höheren Landwirtschaftsschule, des damit verbundenen staatlichen pädagogischen Seminars für Landwirtschaftslehrer und der staatlich anerkannten Ackerbauschule in Hildesheim. 1936 Professor für Landwirtschaft an der Hochschule für Lehrerbildung in Weilburg.
Dr. Gerken wurde am 29.6.1921 zum Oberleutnant d.Res. befördert. Im Juni 1936 leistete er beim Reiter-Regiment 13, Hannover, eine militärische Auswahlübung ab. Nachdem der Wehrkreis XII mit Verlegung des Kav.-Rgts.6 von Schwedt/Oder nach Darmstadt über ein Kavallerie-Regiment verfügte, wurde Prof. Gerken am 1.4.1938 als Reserve-Offizier zum Kav.-Rgt.6 versetzt. Dort übte er bei der 8. (Radfahr-Schwadron). Am 27.8.1919 geschah seine Beförderung zum Rittmeister der Res. Mit Ausbruch des letzten Krieges wurde er Kommandeur des aus dem Kav.-Rgt.6 hervorgegangenen Heimatpferdepark XII. Am 1.1.1940 wurde er als landwirtschaftlicher Berater in den Stab des Stellv. General-Kommandos XII A.K. versetzt und dort am 14.11.1942 zum Major d.Res. befördert. Während des Krieges gehörte er auch dem Inf.Rgt.70 an. 1948 kam er aus der amerikanischen Gefangenschaft und Internierung nach Hause.
Am 1.4.1943 war Prof. Gerken zum Direktor des staatlichen Instituts für den landwirtschaftlichen Unterricht in Braunschweig berufen worden. Durch die Ableistung des Kriegsdienstes kam es nicht zur Aufnahme dieser Tätigkeit. Erst nach der Gefangenschaft konnte er sie an der nach Kriegsende nach Wilhelmshaven verlegten Pädagogischen Hochschule für landwirtschaftliche Lehrer als Professor aufnehmen.
1956 ging er in den Ruhestand und bekam dabei das Bundesverdienstkreuz I. Klasse verliehen. Von 1961 bis 1968 gehörte er dem Veredler Stadtrat an. Um diese Zeit war er auch Vorsitzender der Kreisgruppe Verden im Verband Deutscher Soldaten. Und der Kameradschaft der Angehörigen des ehem. Kav.-Rgts.6 gehörte er 1991 schon über zwei Jahrzehnte an. Zu seinem 100. Geburtstag und weit darüber hinaus wünschte ihm die Kameradschaft für die Gesundheit das denkbar Beste.
Eine Reise nach Pasewalk zu den Regimentskameraden am 14. April 1991
Karl Stüben berichtete im Nachrichtenblatt Nr. 69 im Juni 1991 von seiner Reise nach Pasewalk. Nach der Öffnung der Innerdeutschen Grenze muss dies eine ganz besondere Erfahrung gewesen sein.
"Es war ein warmer Sommertag und mein Wagen rollte von Darmstadt zügig mit einer Staustunde über Autobahn und Landstraße in Richtung Pasewalk. Mit von der Partie waren Kamerad Werner Leitz mit Frau und meine Frau. Der frühere Grenzübergang bei Helmstedt zeigte sich mit allen Wachtürmen und verlassenen Hallen trostlos. Erinnerungen über frühere Kontrollen und unliebsame Schikanen wurden wach. Aber jetzt war alles anders. Die Ortschaften an den Landstraßen waren sauber, die Häuser zum Teil weiß getüncht, Blumen zierten die Gärten. Auffallend waren die Imbissbuden, die in Dörfern und Städten zum Essen einluden. Gebrauchtwagen und Hinweisschilder standen häufig an den Wegesrändern. In Rollwitz verließ uns Familie Leitz, die vom Bruder Leitz empfangen wurde. Dann kam Pasewalk in Sicht, und wir waren am Ziel unserer Reise. Herzlich war der Empfang bei Familie Winkelmann. An diesem Abend gab es viel zu erzählen. Die Stadt selbst zeigte bei einem Rundgang 2 Gesichter. In dem alten Stadtteil waren die meisten Häuser stark verfallen und renovierungsbedürftig, während bereits in dem instandgesetzten Teil saubere Gebäude mit Blumen geschmückten Anlagen zu sehen waren. Die Marienkirche, das Wahrzeichen von Pasewalk, war von einem Bauzaun umgeben und der eingestürzte Turm zum Teil ersetzt. Gelagerte rote Backsteine lassen auf weitere Instandsetzungen hoffen. Die alten Kasernen sind von außen gut erhalten. Ein Restkommando der Bundeswehr ist darin kaserniert, und wie es hieß, sollen auch Asylanten dort eine Bleibe finden. Das Kürassierheim, einst ein Domizil für Offiziere der königlichen Kürassiere, der Reichswehr, der Wehrmacht und der NVA, beherbergt jetzt ein modern eingerichtetes Café. Im Foyer hängt ein großes Bild der früheren Kaiserin Auguste Viktoria. Sie war Kommandeuse der königlichen Kürassiere in Pasewalk. Dort trafen sich auch gegen 16.00 Uhr die ersten Kameraden. Sie kamen zum Teil von außerhalb aus Lychen, Ückermünde, Vierenden, Heinerdorf, Ferdinandshof, aber auch die Pasewalker waren vollzählig vertreten. Insgesamt waren es 34 Kameradenfrauen und Kameraden, die an zwei langen Tafeln im Kellergebäude Platz fanden. Die nette Bedienung servierte einen Begrüßungstrunk und der Initiator, Kamerad Friedrich Winkelmann, fand zur Begrüßung treffsichere Worte, die in einem Bekenntnis zur Kameradschaft führten. Stehend hörten dann alle Anwesenden den "Hohenfriedberger" den Traditionsmarsch unseres ehem. Regiments. Anschließend gab es Kaffee und Kuchen, sowie Bier oder Wein. Es gab aus der Vergangenheit viel zu erzählen, aber auch Sorgen waren zu hören. Kamerad Leitz und ich dankten für die Einladung. Erst gegen 19.30 Uhr löste sich langsam die Gesellschaft auf und die Winkelmanns, Beschworen, Krügers, Wittes, Thoms, Pingers, Bartels, Habermanns, Putzes, Böhmes, um einige zu nennen, strebten den Heimweg an.
Ein schönes harmonisches Treffen war zu Ende. Es hat sich gezeigt, daß die Zeit der früheren DDR es nicht vermochte, die Kameradschaft zwischen den Ost- und Westkameraden zu trennen. Der Pasewalker Beritt unter Winkelmann, Krüger und Witte ist Zeugnis dafür."
Günter H. Fries - Erinnerung and Gedanken
"Im August 1991 verstab in Südafrika Günter Fries. Er hinterließ Frau und vier Kinder. - Wer war er, und was verbindet ihn mit dem ehem. Kav.-Rgt.6? - Er musste seine Heimat aufgeben, als die Nazis herrschten, all die verfolgend und vernichtend, die den Festlegungen der sog. "Rassegesetze" nicht entsprachen. Ihm ist im Leben nichts geschenkt worden.
Günter Fries wurde am 14. März 1908 in Frankfurt/Main geboren. Nach Beendigung der Schulausbildung bewirbt er sich beim 6.(Preuß.)Reiter-Rgt. als Offizier-Anwärter. Glücklich über die Annahme seiner Bewerbung tritt er 1927 in die 5. Eskadron ein, die mit Rgts.Stab und 1. Eskadron in der Pasewalker Kürassier-Kaserne lag. Als Leutnant bildet er bis 1933 Rekruten aus, u.a. die Kameraden Herbert v. Arnim, Walter Landstadt, Heinz Pilz, Max Schwerdtfeger. - Sie erinnerten sich noch Jahrzehnte gerne an ihn. - Nach der sog. "Machtübernahme" muss er aus dem Heer ausscheiden. Bei der Luftwaffe jedoch findet er eine Bleibe, wird für die Fliegerei ausgebildet, erwirbt die Flugzeugführerscheine für Land- und Seefliegerei. Schleissheim, Cottbus, Neuruppin, Tempelhof und zuletzt Jüterbog sind die Stationen. Aber auch dort war für ihn kein bleiben mehr. Er wird als Luftwaffenoffizier aus der Wehrmacht entlassen.
Günter Fries brauchte jedoch das Fliegen noch nicht aufzugeben. Als vielseitig ausgebildeter Pilot findet er bei der Deutschen Lufthansa eine Anstellung als Einflieger, sitzt in uralten Maschinen mit neu entwickelten Dieselmotoren, fliegt sie, bis Notlandung und ab und zu Bruch zu ihrer Aufgabe zwangen. Er verlässt nun Deutschland und geht nach Kolumbien (Bogota), bleibt dort der Fliegerei verbunden. Mit Wasserflugzeugen über See und Urwald, befördert er Passagiere, Post usw.; Landeplätze sind größtenteils Urwaldflüsse. Das ging nicht immer ohne Unfälle ab. Bei einem größeren Unglück kommt er als Einziger mit dem Leben davon. 1937 wagt er die Rückkehr nach Deutschland, nimmt bei den Junkersflugzeugwerken in Dessau eine Stellung als Einflieger neuer Maschinen an. 1938 bietet sich ihm die Möglichkeit der Überführung einer Maschine - Ju 85 - nach Südafrika. Und dort blieb er dann, erhält die behördliche Genehmigung zum Aufenthalt. - Deutschland bot für ihn keinen Platz mehr. - In Südafrika unterzieht er sich schließlich noch der Prüfung als Fluginstrukteur, sieht als Flugzeugführer neue Möglichkeiten.
Mit Ausbruch des II. Weltkrieges wird Fries als Deutschem die Flugerlaubnis entzogen. Man betrachtet ihn als Nazi, verdächtigt ihn sogar der Spionage. Er wird interniert, kommt über 4 Jahre in ein damals dort berüchtigtes Nazi-Internierungslager, wo er, wie er sagte, beim größten Teil der Insassen (wohl wegen seiner Abstammung) auch nicht beliebt war. Nach Ende seiner Lagerhaft darf er ein Jahr lang sein Haus nicht verlassen. Für ihn und seine Familie beginnt nun eine schwere Zeit. Im Kampf uns Überleben nimmt er jede sich bietende einfache Arbeit an. In seinem letzten Brief nach Darmstadt vom 18.7.1991 schrieb er: "Später ging es viel besser. Und ich habe jetzt 53, allergrößtenteils sehr glückliche Jahre hinter mir. Grüßen Sie doch bitte die aus unseren Kreis, die mich noch kennen sollten." Die Kameradschaft bewahrte diesem aufrechten Kameraden ein ehrendes Gedenken." (Fi.)
Kameradschaft? - Ja, Kameradschaft! (von Alexander Müller-Reuß)
Erfahrungen nicht vom 'hohen Roß', aber: Viele ältere Menschen bedauern, weil sie alles vererben können - nur nicht ihre Erfahrungen, ihr Wertvollstes!
Kameradschaft, ein veraltetes Wort, oder sagt die 'Erfahrung' etwas anderes? Ja, doch! Aber zuvor die semantischen, die wortbedeutenden Aussagen über diesen Begriff, über dieses Wort 'Kameradschaft'. Es ist immer wichtig zur ursprünglichen Bedeutung, zu den Quellen eines Wortes, vorzudringen, um zu erfahren, was will dieses Wort aussagen, was ist seine Bedeutung.
Das Wort ist für die Mitte des 16. Jahrhunderts belegt und geht auf das deutsche Wort Kammer, also eine 'Stubengemeinschaft' zurück. Im 17. Jahrhundert, vornehmlich im 30jährigen Krieg, findet sich das Wort in der deutschen Soldatensprache für den Mitkämpfer, den Kampfgefährten. Das Wort hebt sich gegen Einzelpersonen ab, also z.B. Kerl, Bursche, Gefährte u.a. Das Wort Kamerad, Kameradschaft belegt eine Anzahl von Menschen, die füreinander einstehen - 'Stubengemeinschaft' - für einander da sind und gemeinsame Ziele - 'Kampfgenossenschaft' - zu erreichen suchen {Kluge-Götze, Etymologisches Wörterbuch}.
Diese semantische, wortbedeutende Aussage ist heute noch gültig, jedoch nicht mehr ausschließlich im Soldatischen, sondern sie ist auch in andere Lebensbereiche hinübergewandert, z.B. in den Bereich Sport, Expeditionen und Schulen, um nur einige zu nennen. Mit dem 'Sportkameraden' versucht man sich zu messen und im fairen Wettkampf einen Sieg zu erringen. In der Expedition versuchen einzelne Menschen ein gemeinsames Ziel zu erreichen - auch im Rahmen einer wissenschaftlichen Aufgabe. 'Klassenkameraden' schreiben Arbeiten, hecken Streiche aus und unterwerfen sich gemeinsam Prüfungen, um sie zu bestehen.
Wir alle denken in Werten. Diese philosophische Aussage soll hier genügen. Dabei gibt es materielle Werte, z.B. Geld, Besitz, also Wertgegenstände. Es gibt immaterielle - besser - ideelle Werte, wie Liebe, Treue, Güte, Hilfsbereitschaft, Ordnung; negativ z.B. Haß, Missgunst, Neid. Werte sind höchste Güter. Religionen haben Völker und Zeitalter nach ihnen auszurichten versucht. Werte geben Ziele an, die zu erreichen erstrebenswert sind. Es gibt also etwas wie eine Rangordnung. Haß ist kein erstrebenswerter 'Wert', kein ansteuerungswürdiges Ziel. Materielle Werte: Nun ja, belassen wir es beim altbekannten Spruch: Geld beruhigt! Letztlich sind für unsere Gedanken die ideellen Werte bedacht. Sie sind hohe und höchste Stufen einer Rangordnung. Sie werden als immerwährend, heilend und unauflösbar angesehen und damit auch ins Leben eingeordnet. Max Scheler fand, es gäbe drei 'Wissen', das 'Herrschaftswissen', also Materielles, das 'Bildungswissen', also Wissen über Kultur, Bildung und Schönes und schließlich das 'Heilswissen', das er der Religion zuordnet.
Bei unserer Betrachtung spielt die Erfahrung eine zentrale Rolle. Ohne sie hätten wir kaum eine Wertevorstellung, oder anders gedacht: In der Religion der Schamanen spielt z.B. der Wert, der Bär, eine wichtige Rolle. Die Erfahrung im Leben des und der Menschen ist gewissermaßen der Schöpfer und Ausgestalter, der Ausformer von Wertvorstellungen. Werte zeigen einer Gemeinschaft, 'wo es lang geht'. Will man eine Gemeinschaft zerstören, nimmt man ihr die Werte. Zerfall, Zerstörung, Kampf aller gegen alle ist die Folge. Die Geschichte - also letztlich auch ein Aspekt von Erfahrung - spricht hier mit vielen Beispielen. Erfahrung ist in ihrer zusammengeronnenen Substanz ein Postulat von Werten und deren Weitergabe. Das Alter des Menschen ist eine Reife durch Erfahrung und so, wie der Same der Pflanzen, der ausgestreut wird, um neue Pflanzen hervorzubringen.
Kameradschaft ist ein Wert, ein wertvolles Gut. Er wächst aus der Erfahrung der Älteren und beim Zusammenleben von Alt und Jung wird dieser Wert weitergegeben, sei es durch das Vorleben, sei es durch einsichtbringende Gespräche. Es findet dabei der Prozeß der Wertefindung und werteverfestigung statt. Ohne solche Prozesse ist eine menschliche Gemeinschaft nicht lebensfähig. Junge Menschen sind die Adressaten, die Empfänger. Die Autorität der Älteren, als Wertevermittler, muß aber zu jeder Zeit befragter bleiben. Die Älteren, zum Konservativen neigend, sind bei diesem Prozeß jene, die zunächst denken, ihre Erfahrungen mobilisieren und Werte ansichtig zu machen versuchen, um dann zum Handeln raten zu können. Junge Menschen sind zunächst Handelnde. Und das ist gut so, denn die Ergänzung beider, der Alten und der Jungen, trifft die Mitte.
In unserem Zeitalter, einer Zeit des Übergangs, sind Werte die einzigen Orientierungen, um fest stehen zu können. Deshalb - Befragbarkeit der Autorität - sind sie immer aufs Neue ins Bewusstsein zu rufen und zu stellen. Wir haben heute hier ein deutliches Defizit, ja schmerzliche Lücken. Deshalb sollten die Älteren sprechen und nicht durch ihr Schweigen schuldig werden. Der Senat im Alten Rom bestimmte das politische Wohin. Das Wort 'Senat' kommt vom Wort 'Alter'.
Schließlich, wenn wir schon semantische, also wortbedeutende Gedanken vorstellen: Was ist Kameradschaft? Es gilt diese schöne Parabel vom Alten auf dem Sterbebett, der seine Söhne um sich versammelt und ihnen ein Bündel Stäbchen zum zerbrechen gibt. Einzelne Stäbchen können die Söhne zerbrechen, nicht aber das ganze Bündel. Dass bedeutet: zusammenhalten! Dies ist die Innenansicht des Wertes 'Kameradschaft', also: Kameradschaft? - Ja, Kameradschaft!
Am 20. Dezember 1992 starb Josef Hollekamp im Alter von 72 Jahren. "Er war Obergefreiter in der 2. Schwadron der Aufkl.Abt., und er war Ritterkreuzträger! Damit gehörte er zu den wenigen Obergefreiten des II. Weltkrieges, die diese hohe Auszeichnung für ganz besondere Verdienste erhielten. Sein Verdienst war: Er rettete etwa 20.000 deutschen Verwundeten das Leben, bzw. bewahrte sie vor der russischen Gefangenschaft.
Es war am 14. Juli 1943 - seine herausragende Leistung im Rahmen der Schlacht von Orel. Als Gruppenführer übernahm er das MG und hielt bis zur Rettung der Verwundeten die angreifenden Rotarmisten auf. Hollekamp war aus dem Holz geschnitzt, aus dem heraus eigentlich eine Gesellschaft lebt, nur leben kann. Dieses 'Holz' heißt: Helfen, wo Hilfe möglich ist, Idealist sein, wo Idealismus die Herzen bewegt und sie aufrüttelt und Diener, Diener seiner Kameraden in bedrängender Not. Von den Hollekamps lebt eine Gesellschaft umso mehr, je dringender sie die nötige Orientierung braucht."
(A. Müller-Reuß)
Kameradengräber-Besuch - eine Reise in die Vergangenheit (von Kurt Gluding)
"Drei Angehörige der ehem. AA36 (mit 2 Damen), gleichzeitig Teilnehmer am Frankreichfeldzug 1940, besuchten die Gräber ihrer damals gefallenen Kameraden bei gleichzeitigem Abfahren des einstigen Vormarschweges. Initiiert und generalstabsmäßig vorbereitet von H. Schubert, startete die kleine Expedition am 2.5.1993 vom Ausgangspunkt der AA36 - Bollendorf a.d. Sauer - fast genau nach 53 Jahren. Die Fahrt ging auf der ehemaligen Vormarschstraße quer durch Luxemburg zur belgischen Grenze, durch den Wald, in dem die Abteilung die erste Nacht in Feindesland unterzog, nach Les Deux-Villes.
Hier hatten wir den ersten Gefallenen des Feldzuges, OGefr. Schick, 3. Schwadron, zu beklagen - wir gedachten seiner.
Am Nachmittag erreichten wir den zentralen deutschen Soldatenfriedhof (für die Ardenne-Region), Noyers-Pont-Maugis, 5 km südlich Sedan, auf den 16 unserer Gefallenen umgebettet worden waren.
Der Friedhof liegt wunderschön auf einer Höhe über dem Maas-Tal, gekrönt von einer kleinen Kapelle und überragt von einem wuchtigen, steinernen Kreuz als Mahnmal. Wir suchten und fanden die Grabstätten, alle in gutem Zustand, und hinterließen jedem einen Blumengruß. Es hat uns sehr angerührt, nach so langer Zeit an ihren Gräbern zu stehen. - Hier auf diesem Soldatenfriedhof ruhen 14.055 deutsche Gefallene aus dem ersten und 12.785 aus dem zweiten Weltkrieg und in der Nähe 1.621 französische Gefallene. Beim Verlassen des Friedhofes waren wir uns der Opfer ihres Lebens bewußt und der eindringlichen Mahnung: Haltet Frieden!
Am Nachmittages 2. Tages begann dann eine Fahrt, die nur schwer zu beschreiben ist. Durch eine Landschaft, die sich seit 50 Jahren fast nicht verändert hat - die wir damals kämpfend durchzogen - fuhren wir nun in tiefem Frieden! Kleine, fast vergessene, stille Dörfer, grüne Hügel, saftige Wiesen mit viel Weidevieh. Vorbei an Autrecourt nach Yonq, des schlimmen Feuerüberfalls gedenkend, am Ortsausgang unverändert die Straßenböschung, hinter der wir Schutz suchten. Weiter ging es an La Bagnolle-Thibaudine vorbei durch den Argonnerwald nach Fossé. In der Nähe übten französische Soldaten (auch eine Aufklärung.-Einheit), während wir bedrückt der damaligen Ereignisse still gedachten. Dann Bethincourt, wo wir ebenfalls Verluste durch Artillerie hatten, schließlich tauchte in der Ferne das Mahnmal von Montfaucon auf und dann das Tagesziel Verdun. Hier endete die Gedächtnisfahrt, und nach einer Besichtigung der Stadt, von einem Boot auf der Maas aus, ging es wieder heimwärts, mit Zwischenaufenthalt in Metz.
Es war ein traumhaftes Erlebnis: Einst ein kriegerischer Vormarsch, heute Frieden aller Orten! Die Begegnung mit den Menschen war ohne Ressentiments, freundlich und hilfsbereit. Wenn das so bleibt, war das Opfer der Kameraden doch nicht umsonst!"
Großes Traditionstreffen in Darmstadt - Ehrung der Gefallenen und Toten
Vom 16.-18.9.1994 fand in Darmstadt eines der regelmäßigen Großen Traditionstreffen mit folgenden Programmpunkten statt:
- Freitag, 16. September: Kameradschaftliches Beisammensein
- Samstag, 17. September: Stadtbesichtigung, Gefallenen- und Totenehrung, Festlicher Kameradschaftsabend
- Sonntag, 18. September: Stelldichein beim Bronsartstein (Parforceritt-Bläsergruppe des Darmstädter Reitervereins und Regimentstrompeter), Besichtigung der Reitanlage und Dressurreiten in der Großen Reithalle, Abschlussessen im Jagdschloss Kranichstein
Aus dem ausführlichen Bericht von Hauptfeldwebel (Bw) Peter Mehlhorn, ehem. Panzeraufklärungslehrbataillon 11, danach Kampftruppenschule 2 in Munster, möchten wir hier seine Worte zur Gefallenen- und Totenehrung wiedergeben:
". . . Ab 16.00 Uhr fand am Dragoner-Ehrenmal die Gefallenen- und Totenehrung statt. Für mich ist eine solche Veranstaltung immer wieder ein Anlass auch darüber nachzudenken, welche Schattenseiten der schöne Soldatenberuf haben kann und wie leicht es sich im Panzerlied singt: '. . . ruft uns das Schicksal ab . . .' , ohne mich in jungen Jahren näher damit befaßt zu haben. Dieses wird auch durch die Ansprache des Herrn Major a.D. Herbert v. Arnim, die nachfolgend auszugsweise wiedergegeben ist, nochmal deutlich hervorgehoben:
Wir beginnen unser Traditionstreffen von Reiter 6 hier am Denkmal, um derer zu gedenken, die ihren soldatischen Auftrag mit dem Leben besiegelten. Wir gedenken auch der 13.000 Toten, die vor 50 Jahren am 11. September 1944 dem Bombenangriff zum Opfer fielen, der Darmstadt zu 75% in Schutt und Asche legte, und wir gedenken derer, die uns seit den letzten Treffen verließen . . .
Der Gedanke, für die Heimat zu kämpfen, gab ihnen (den Soldaten des K.R.6 nach der Mobilmachung im August 1939) die Kraft, das Schwere zu ertragen. Heute gibt es Menschen, die der Ansicht sind, die Ablehnung des Krieges müßte mit der Verächtlichmachung der Kämpfenden einher gehen. Ihnen sei gesagt, daß und wie die an der Front Kämpfenden unter Einsatz ihres Lebens ihre soldatische Pflicht taten.
Ein Krieg kann nur durch eine entschlossene Haltung der Öffentlichkeit verhindert werden, und das nur dann, wenn er noch nicht begonnen hat und noch Friede herrscht. Ist jedoch der Krieg ausgebrochen, so ist der Kampf eine Sache der Nation geworden, der sich der Einzelne nach unserer Auffassung nicht entziehen darf und auch nicht kann. Vielmehr ist es seine Pflicht, sich mit allem, was er leisten kann, dafür einzusetzen, daß sein Volk diesen Kampf so gut besteht, wie es möglich ist.
Soldaten haben nicht die Möglichkeit, einen einmal ausgebrochenen Krieg zu beenden. Wer nicht an die Güte der Sache glauben konnte, für die er kämpfte, hatte es doppelt schwer, seine Pflicht zu tun. Ebenso hatte es derjenige schwer, der erkannt hatte, wie eine ungeeignete Führung zur Katastrophe führen mußte.
Wir, denen das Schicksal das Überleben gewährte, wir empfinden es als ein Herzensbedürfnis, solche Feststellungen über das Sterben unserer Kameraden zu treffen und rufen unseren Toten - in Ehrfurcht für ihr Opfer - nach: Euer Kampf war vergeblich, aber euer Opfer war rein!"