Ein neuer Abschnitt in der Regimentsgeschichte
Wie Rittmeister von Schellendorff bereits vorausgesagt hatte, begann nun für die Reiter vom Kavallerie-Regiment 6 ein ganz neuer Abschnitt in der Geschichte ihres Regiments. Den Soldaten fiel es nicht leicht, die Heimat und die damit verbundene Regiments-Traditionen hinter sich zu lassen. Während die Regimentsgeschichte von 1920-1937, dank Rittmeister von Schellendorffs, sehr gut dokumentiert ist, ist die Rekonstruktion der nun folgenden Jahre deutlich schwieriger. Bis unsere Nachforschungen, Prüfungen von Quellen und Auswertung von Originaldokumenten soweit sind, dass wir an dieser Stelle gesicherte Fakten präsentieren können, geben wir hier die Zusammenfassung eines Zeitzeugen an und lassen im Folgenden weitere Zeitzeugen selbst zu Wort kommen.
"Im September 1937 wurde das Regiment nach Darmstadt und Bensheim verlegt. Es entstand in Darmstadt die 1. berittene Abteilung und in Bensheim die 2. teilmotorisierte Abteilung. Das Regiment bestand nun aus dem Stab und elf Schwadronen.
Im Mai 1938 wurde das Regiment vereinigt.
Als der 2. Weltkrieg begann wurde das Regiment auseinandergerissen: Es entstanden mehrere Aufklärungsabteilungen. Eine Aufklärungsabteilung, die unmittelbar einer Infanterie-Division unterstand, setzte sich aus
- dem Stab
- dem Nachrichtenzug
- einer Reiterschwadron
- einer Radfahrschwadron und
- einer schweren Schwadron zusammen.
Die schwere Schwadron, die vollmotorisiert war, gliederte sich in den Panzerspähzug, Panzerabwehrzug und Kavalleriegeschützzug.
Die Aufklärungsabteilungen des Kavallerie-Regiments 6 waren an allen Frontabschnitten vertreten und hatten sich bestens bewährt."
Zeitzeugen berichten
Die folgenden Berichte, Schilderungen und Anekdoten spiegeln die vielen unterschiedlichen Facetten im Leben der Kameraden wider. Dabei ist jeder Zeitzeugenbericht ein weiteres Puzzlestück in unserem Versuch, uns ein möglichst vollständiges und authentisches Bild vom Kavallerie-Regiment 6 zu machen. Auch wenn uns bewußt ist, dass dieses Bild nie wird vollständig sein können, denn sehr viele Puzzlestücke sind unwiederbringlich verloren.
Soldaten in Nordafrika: Leutnant Limbrecht Graf von Schlieffen
Der in der 4. Kompanie (Beute-Batterie) / Pz.A.A.33 eingesetzte ehemalige Leutnant Horst Stobbe (Beobachtung- bzw. Batterie-Offizier) schilderte seine Eindrücke vom Krieg in Nordafrika. Er kam Anfang Juli 1942 als ausgebildeter Artillerist zur Pz.A.A.33. Hier ein Auszug aus seinem Bericht:
"Graf Schlieffen war der erste, der auf meine B-Stelle in der Alamein-Stellung gerobbt kam. Er wollte mir nur sagen, daß er bisher nicht viel von der Artillerie gehalten hätte. Heute aber hätte ich ihm das Leben gerettet. Er mußte mit seinem Spähtrupp durch einen Hohlweg. 10 Kreuzer VI wollten ihn dort abfangen.
'Aber Graf, deshalb hätten Sie doch nicht extra herzukommen brauchen! Jeder ausrückende Spähtrupp wird mir von der Abt. gemeldet. 6 Kanonen stehen bereit, um geladen und abgefeuert zu werden.'
Schlieffen war nicht der einzige, den ich von der Existenzberechtigung der Artillerie erst überzeugen mußte. Doch zurück zu ihm. Von der Schulbank zum Militär und nach der Kriegsschule mit 21 Jahren nach Afrika. Seine Spähtrupps waren sehr erfolgreich. Von den erbeuteten Spähwagen nahm er als Trophäe die Wimpel von den Funkantennen und heftete sie an seine SPW. Jeden Morgen machte er mit seinem Zug 'Flaggenparade'. Die alten Landser seines Zuges machten diese Pimpfenmätzchen tatsächlich fröhlich mit. Seine Heiterkeit schien angesteckt zu haben.
Es war einige Wochen später. Die Abt. lag südlich des Flugplatzes Luka. Die Armee war etwas durcheinander. Niemand wußte so recht, wen er vor oder hinter sich hatte. Ich hatte abprotzen lassen. Der Chef (der Beute-Batterie) Oberltn. Kopp war zur Chefbesprechung zu Hauptm. Lienau gerufen worden. Um in diesem völlig ebenen Gelände besser sehen zu können stand ich mit dem Doppelglas in der Hand auf dem Kotflügel des 'Jumbo'. Plötzlich kamen 3 Spähwagen in forscher Fahrt auf meine Stellung zu. Als ich die Wimpel sah, dachte ich zunächst an Schlieffen, der wieder mal einen seiner Privatkriege führte. Sie fuhren aber verdammt schnell, so daß ich noch mal genauer hinsah. Der Engländer wollte nicht mit Schlieffen verwechselt werden und hatte jetzt 2 Wimpel, einer unter dem anderen, gehißt. 'Rückblickfernrohr auf Null, feindl. Fahrzeuge vor uns, 1800 m, 5 Gruppen', war schnell kommandiert. Durch Kopp ließ mir Lienau sagen, daß ich richtig reagiert hätte. Doch schon den nächsten Tag sah ich den echten Schlieffen vor mir. Große Verbände sahen wir vor Dunkelheit uns südlich überholen. Irgendwo dazwischen die 21. Pz.Div. Kopp ließ mich spontan in Stellung gehen, überläßt mir seinen Kfz 15 mit Funkgerät, und er selbst steigt in den Funkpanzer zu Oberltn. Meschkat, Chef der 2. Kompanie. Ich stehe zwischen unseren Geschützen und warte auf Feuerbefehl von Kopp. Nichts von ihm zu hören. Unmittelbar vor mir fährt Graf Schlieffen mit seinem SPW einen Panzerangriff gegen gewaltige Übermacht. Sorglos wie immer sitzt er auf der Rückwand seines SPW. Er pendelt mit seinen Beinen und gibt nach links und rechts mit seinen Armen an seinen Zug Befehle: Fahren - Stehen und Schießen - Fahren usw. Neben mir stehen Hptm. Lienau und Oberltn. Bentlage, sein Adjutant. Plötzlich fällt Schlieffen vorwärts in seinen SPW und Lienau zählt leise: 21, 22, 23 - und der SPW explodiert.
So starb ein Träger eines alten preußischen Namens. Wer will über Sinn oder Unsinn seines Todes eine Diskussion leiten? Wir konnten ihn nicht einmal ordentlich beerdigen und der Engländer wird es auch nicht getan haben, denn der Krieg ging weiter."
Ergänzende Anmerkung: Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. schrieb am 17.10.1988:
"Zu Ihrer Anfrage am 13.10. des Jahres teilen wir mit, daß in der Zentralgräberkartei des Volksbundes keine Grablage für Leutnant Limbrecht Graf v. Schlieffen registriert ist. Seitens der Deutschen Dienststelle (ehem. Wehrmachtsauskunftstelle-WAST) in Berlin wurde uns auf Anfrage im März 1958 mitgeteilt, daß Graf v. Schlieffen seit dem 6.11.1942 als 'vermißt ohne Ortsangabe' registriert ist. Seine Erkennungsmarke mit der Beschriftung -903-3./E.A.A.3 mot. wurde bei den Umbettungs- und Identifizierungsarbeiten in Nordafrika bei keinem Toten gefunden. Anfragen bei Kameraden, die zum fraglichen Zeitpunkt am 6.11.1942 bei Ala Minaqui und am nächsten Tag bei Charing Cross in englische Gefangenschaft gerieten und das Kriegsgeschehen überlebt haben, führten leider zu keinem Ergebnis."
Soldaten in Nordafrika: Rittmeister Walter Freiherr von Gienanth
Horst Stobbe (4./Pz.A.A.33) schrieb:
"Eine herausragende Persönlichkeit war Freiherr v. Gienanth. Er war 'von Geburt' Kavallerist. Am liebsten wäre er noch mit Sporen in den Pz.Spähwagen gestiegen. Allmählich hat er sich - wenn auch schweren Herzens - angepaßt. 'Wissen Sie, Stobbe, früher sagten wir: jedes Pferd hat eine Seele - jeder Motor aber auch!' Das war die Anpassung. Doch wenn ich ihn später, als er Rittmeister geworden war, aus Versehen mit Hauptmann anredete, sah er einfach durch mich hindurch.
Wenn er seine Paks in Stellung gebracht hatte bzw. dies überwacht hatte, begann für ihn sein Privatkrieg im Niemandsland. Irgendetwas Brauchbares fand er immer. Eines Tages wurde einem Leutnant der Spähwagen abgeschossen. Seine Besatzung und er booteten aus. Man vergaß - oder hielt es nicht für nötig - den Achtrad mit einer Sprengladung zu zerstören. Zu Fuß erreichte er den Gefechtsstand des Kommandeurs und machte entsprechende Meldung. Hauptmann Lienau unterbrach ihn: Drehen Sie sich doch mal um. Ist das nicht Ihr Spähwagen?
Was war passiert? Gienanth hatte den Treffer und das Ausbooten beobachtet. Die durchschossene Kardanwelle hatte sich wieder abgekühlt, als Gienanth zu Fuß den Achtrad erreichte. Er startete, der Motor sprang an, und er kam langsam angeschaukelt. Für den Leutnant eine sehr peinliche Angelegenheit.
Einmal in der Cyrenaika lud er mich zur Gazellenjagd ein. Völlig umweidmännisch wurden die Gazellen mit 3 Jeeps mit MGs eingekreist. Ich hatte zwar keine geschossen, bekam aber trotzdem 3 für die Kompanie mit. Gazellengulasch war bei dem täglichen corned beef und der Bierwurst eine herrliche Abwechslung. Wo Gazellen sind, müssen auch Löwen sein. Doch die hatte er vergeblich gesucht.
Vor Weihnachten nahm er einem Kurzurlaub, ließ eine Menge Familiensilber einschmelzen und ließ daraus formschöne Likörbecher für das ganze Offz.-Korps gießen. Die Widmung: Offz.-Korps Pz.A.A.33 Weihnachten 1942. Hätte ich ihn nur in der Tasche bei mir behalten. Vielleicht haben ihn die Russen in der Asche Menes Elternhauses noch gefunden.
Seine Einstellung zum Krieg zeigte sich am besten bei einer Begebenheit mit Ltn. Difflipp. Es war bereits in Nordtunesien in den letzten Tagen. Gienanth hatte seine Pak in Stellung gewiesen und stöberte dann mit seinem Jeep und 2 schwerbewaffneten Obergefreiten in der Gegend herum. Dabei entdeckte er Ltn. Difflipp, der sich in einem Oleanderbusch an einem Wegeknick gut getarnt hatte. Difflipp, mach'n Sie mit, mach'n Sie mit? Was denn? Die Höhe vor uns wollen wir im Handstreich nehmen. Ich muß hier stehen bleiben, kann höchstens meine Kanone drehen und Ihnen Feuerschutz geben. Aber nach meinen Beobachtungen verschanzt sich dort oben eine verstärkte amerikanische Kompanie. An einen Handstreich mit 3 Mann ist da wohl nicht zu denken. Na, macht nichts! Wenn wir es nicht schaffen, so haben wir ihn doch anständig geärgert? '...anständig geärgert', das war Giennanth. Er versuchte es tatsächlich und wurde kräftig abgeschmiert. Glücklicherweise gab's bei ihm keine Verwundete.
Gienanth hatte auch einen sechsten Sinn für plötzliche Gefahren. Es war nach bewußtem Aufstieg aus dem Scwtaf-Seitenwadi. Wir hatten und mit dem Engländer eine Weile herumgeschossen. Dann zog jeder seines Weges. Der Engländer nach Westen und wir nach Nordwesten. Mein VW wurde plötzlich immer kürzer, d.h. der Abstand der Achsen verringerte sich. Irgendwie fand ich beim Troß einen Lkw mit einer ungebrauchten Protze. Wir bockten den VW darauf, ich fuhr im Lkw weiter, und ich mußte schnell versuchen, den Anschluß an die Abteilung zu bekommen.
Es war inzwischen dunkle Nacht geworden. Plötzlich steht v. Gienanth vor mir und stoppt mich. Er bat mich, diesmal sehr bescheiden, doch anstelle meines VW seinen Kfz 15 in Schlepp zu nehmen. Der wäre doch viel wertvoller als mein alter VW und seinem relativ neuem Fahrzeug wäre nur die Steuerkette gerissen. Ich ließ mich überreden und ließ meinen guten alten VW schweren Herzens in der Wüste zurück. (Übrigens: einige Tage später sah ich ihn immer noch auf der Protze - bei einer anderen Einheit. Ich habe ihn nicht zurückgefordert, weil ich mich schämte.) Zu dritt im Führerhaus des Lkw fuhren wir weiter. Wo wollen Sie eigentlich hin? Natürlich wieder Anschluß an die Abteilung suchen. Mensch, Stobbe, sehen Sie nicht, daß dort neben der Piste ein engl. Panzer aufgebaut hat und auf jedes Fahrzeug schießt? Doch, aber der kann ja auch mal Ladehemmung haben. Das war selbst einem v. Gienanth zu viel. Er übernahm das Kommando. Nach Kompass fuhren wir stur nach Norden - stundenlang, und es war immer noch stockdunkel. Plötzlich, völlig unmotiviert, ließ er halten. Wir beide stiegen aus, gingen um unser Fahrzeug und versuchten, das Gelände vor uns zu erkennen. Dabei unterhielten wir uns recht laut. Plötzlich wurden wir angerufen: 'Seid ihr Deutsche? Da habt ihr aber Glück gehabt, wir hatten unser MG schon durchgeladen.' Warum hielt er plötzlich an? So eine MG-Garbe ins Führerhaus wäre nicht gerade angenehm gewesen. Es war ein MG-Nest als vorgeschobene Sicherung für einen Ort an der Via Balbia.
Übrigens, dieser v. Gienanth: Als ihm Lienau das Deutsche Kreuz in Gold anstecken wollte, steckte er es heimlich in die Tasche und flüsterte: 'Wehrmachtsuniform ist doch keine Parteiuniform.' "
Schwedt an der Oder, März/April 1945: Ein Bericht des Kameraden Karl Gensmer
Karl Gensmer kam im Herbst 1939 zur 1./K.R.6. Er nahm an den Frankreich- und Russlandfeldzügen teil, war zuletzt Hauptfeldwebel. Hier sein Bericht:
"Ende 41 erneut vor Kiew verwundet, war ich fortan nur A.V. geschrieben, bei Einsatzeinheiten, Lazaretten und Genesenden Komp., bis ich 1944 dienstunfähig b.a.w. nach Hause beurlaubt wurde.
Ich wohnte zu der Zeit in Nipperwiese, einem Dörfchen gegenüber von Schwedt/O. Als der Russe dann dort vorstieß, meldete ich mich freiwillig bei einer mit jetzt unbekannten Einheit, die unter dem Oberbefehl vom Duce-Befreier Skorzienni stand und die den letzten Brückenkopf Königsberg/Neumark-NiederkränigSchwedt/Oder halten sollte.
In Stettin und südlich Niederkränig-Schwedt Oberbrücken war der Russe schon durchgebrochen.
Dieser Brückenkopf sollte unter allen Umständen von einer SS-Einheit unter dem Befehl von Skorzienni, dem wir als Wehrmachtsteil unterstellt waren, gehalten werden.
Als Panzerabwehr hatten wir eine Beutekanone ohne Munition. Die SS war bis an die Zähne bewaffnet.
So verteidigten wir diesen letzten Brückenkopf an der Oder bis zum 30.3.1945. Auf der Oder befand sich noch Eis, was durch Sondereinheiten gesprengt war. An den Oderbrücken zwischen Niederkränig und Schwedt/Oder hingen reihenweise Soldaten, mit einem Schild auf der Brust: "Ich hänge hier, weil ich Waffen und Kameraden im Stich ließ und dem Feind Fersengeld gab."
In Schwedt auf der Schloßfreiheit hing der Flugplatzkommandant und der Stadtkommandant, Königsberg/Neumark hatte den modernsten Flugplatz - unterirdisch - weil sie den Flugplatz und die Stadt angeblich zu früh aufgegeben hatten.
Ich habe diese Vorgehensweise ausführlich geschrieben, weil es einmal die damalige Kriegsführung wiederspiegelt und es sich um unsere ehemalige Garnisonstadt Schwedt handelt.
Doch nun weiter zum Kampfgeschehen. Nachdem der Duce-Befreier zu anderen Sonderaufgaben berufen wurde, ließ der neue Kommandeur, zufällig gebürtig aus Schwedt/Oder, den Brückenkopf in der Nacht vom 30.3. zum 31.3. räumen.
Am anderen Morgen hörten wir dann den Russen unter Einsatz von Panzern unsere nun leeren aber noch verminten Stellungen unter Einsatz von schweren Panzern stürmen.
Am 20.4.45 erlebte ich dann in Schwedt den Untergang dieser Stadt. Der Russe hatte sich dieses für Hitlers Geburtstag aufgespart, denn er schoß an diesem Tag aus allen Rohren feuernd die Stadt in Brand. In der Stadt war kein Durchkommen mehr, alles brannte, so auch das Schloß.
Nachdem sich die Decke von dem Keller, in dem ich mit meinem Zugtrupp lag, durch den Artilleriebeschuß nach unten zu wölben begann, brach ich zu einer nahegelegenen Bootsanlegestelle aus."
Simplicissimus - Dauerbrenner, Sommer 1937 (SR 1986, Bad Salzuflen)
Die Fhj.-Gefreiten Neumann, Klößner und Röthke fahren mit dem Frühzug von Schwedt über Angermünde, Bad Freienwalde, Frankfurt/O. nach Cottbus zur Medizinischen Untersuchungsstelle. Hauptwachtmeister Mikoteit, Spieß der 1. Schwadron, hat uns vergattert, ja den exakt ausgearbeiteten Fahrplan einzuhalten und pünktlich Zurückzusein. Alles verläuft dann auch planmäßig: Reichsbahn, Untersuchungsstelle und wir drei sind auf die Minute pünktlich und treten am späten Nachmittag die Rückfahrt von Cottbus aus an. Beim Umsteigen in Frankfurt kommen wir wie zufällig zu einem hübschen jungen Mädchen in's Abteil. Das aber nimmt kaum Notiz von uns und liest eifrig im Simplicissimus weiter. Nun, wir drei fangen an zu flachsen ob des Lesestoffes und der freimütigen Zeichnungen des Magazins. Die Dame aber bleibt kühl und lässt uns abblitzen. Das ist wohl auch das Gescheiteste, was sie bei einer derart männlichen Übermacht tun kann. Ja, sie scheint sich noch mehr in ihr Magazin zu vertiefen.-
Doch kommt es mir bei all ihrer anscheinend so spannenden Lektüre so vor, als ließe sie ab und zu für den Bruchteil einer Sekunde ihre schönen Augen zum Rande der Illustrierten herüberblicken. Wir drei kleinen Gefreiten haben uns schon damit abgefunden, daß wir bei dieser Schönen nicht "landen" können. Der Zug rattert über die Strecke. Dann ziehen die Bremsen an, das Tempo verlangsamt sich vor dem nächsten Halt. Die junge Dame packt das Magazin in ihre Handtasche und macht sich bereit zum Aussteigen. Bevor aber der Zug noch richtig hält, geschieht etwas völlig unerwartetes: Mit schnellem Schwung sitzt sie auf meinem Schoß, umschlingt mich und brennt mir einen tollen Kuß auf! Als der Zug zum Stehen kommt, ist das Mädel zur Tür hinaus und bis auf den heutigen Tag verschwunden; das sind nun bald fünfzig Jahre!
Der Kuß aber brennt heute noch...
War das nun die Bahnkreuzung Wriezen oder schon die nächste Station? Klößner macht noch bis Schwedt verdutzte Kinderaugen. Dem Spieß aber meldeten wir: "keine besonderen Vorkommnisse!"
Die Vergangenheit, die uns zusammenhält - 1944
Anlässlich eines Kameradschaftstreffens der 4. Schwadron am 28./29. April 1990 in Kirschhausen erinnerte der Kamerad Hans Eikmeier an die "Vergangenheit, die uns zusammenhält".
Auf den Tag genau vor 46 Jahren sei es gewesen, daß für den 3. Zug der 4. Schwadron die Kämpfe auf dem Stützpunkt Komory in den Pripjet-Sümpfen hinter ihm lagen. Er erinnerte an die schweren Abwehrkämpfe südlich Pinsk. Das Dorf Lasik werde ebenfalls im Gedächtnis haften bleiben, auch die Höhe 139, die der Zug unter schweren Opfern gehalten habe. Damals habe in den Aprilwochen ein langer kalter Winter hinter ihnen gelegen und zugleich der fünfte Kriegswinter. Und in jenen Apriltagen sei es über Nacht in den Sümpfen warm geworden. Es blühte und grünte, ein zauberhaftes Land im Frühjahr. Das Frühjahr habe die Schneeschmelze gebracht und mit dieser sei auch das Hochwasser gekommen. Über Nacht sei das Land untergetaucht, ein riesiger See entstanden mit vielen Erhebungen, darunter auch das Dorf Komoroy, dem größten Stützpunkt im Pripjet-Abschnitt. Dieser habe in einer 80 km langen Abwehrfront gelegen, die zwei Sicherungs-Bataillone bei den russischen Überfällen unter vielen Verlusten zu halten hatte. Diesen und auch andere Stützpunkte habe die Schwadron übernehmen müssen. Zur Zeit der Übernahme sei Komoroy eingeschlossen, nur mit Boten zu erreichen gewesen. Die angrenzenden Stützpunkte erreichte man zu Fuß nur durch Wasser. Eine Verbindung dieser untereinander habe es nicht gegeben. Komoroy sei viel zu groß gewesen, um von einer Gruppe gesichert werden zu können. Bei Gefahr Hilfe von der Schwadron zu bekommen, sei unmöglich gewesen. Mit der Nacht seien Gefahren auf den Stützpunkt zugekommen. Es sei unheimlich gewesen. Da wäre dem Soldaten draußen die Einsamkeit bewußt geworden. Mitunter habe sich Angst, Unsicherheit aber auch Empörung über die immer wiederkehrende Überforderung eingestellt. Wer in dunkler Nacht einsam Posten stand, der wußte, daß er sich auf den Nachbarposten verlassen konnte, wie auch auf die Männer seiner Gruppe, seines Zuges, seiner Kameradschaft. Das Gefühl, sich auf die Kameraden verlassen zu können, half, die Nächte zu überstehen. Dies habe allen geholfen, die Schwere des Krieges zu überwinden. Dies gemeinsame Erleben dieser Kameradschaft, in der man. nie einsam, nie verlassen gewesen sei, diese Kameradschaft habe Halt gegeben. Dies sei der Grund, weshalb man heute und immer wieder zusammen finde. Dank vor allem denen, die in Friedenszeiten den Grund dafür gelegt haben. Dank aber auch den Kameraden, die den Krieg nicht überlebt, ihm mit getragen, die Kameradschaft mit Tod, Verwundung bezahlten. Wir sollten aber nicht vergessen, das Schwere, was wir erlebt haben, nicht zu verdrängen. Nicht zu vergessen seien die Vermißten. Er erwähnte als Beispiel den Kameraden, der in der Nacht zu der 30 m entfernt liegenden Feldküche geschickt wurde, dort aber nie ankam und von dem man auch später nichts mehr gehört habe.
Seine Ausführungen schließend, sagte Prof. Eikmeier, wir wollen die Forderung weitergeben, die Aufgabe des Soldaten darf nur die Verteidigung des Friedens sein!
Oberst Bronsart von Schellendorffs Tod (Ein Bericht von Fritz Buhrow)
Auf Veranlassung des Kameraden Heinz Pilz verfasste der damalige ständige Begleiter von Oberst Bronsart von Schellendorff, der Wachtmeister Fritz Buhrow, folgenden Bericht vom 14.1.1990, der hier auszugsweise wiedergegeben wird:
"Auf gewisse Veranlassung heraus verfasse ich hiermit einen Bericht über den Heldentod unseres lieben und unvergesslichen Oberst Bronsart von Schellendorff, wie den damit verbundenen Begleitumständen. Gefallen am 22.9.44 auf dem Gefechtsfeld an der Westfront während einer Panzerschlacht.
Als Einleitung möchte ich noch erwähnen, daß meine damaligen Kameraden Oberwachtmeister Ludwig Wolf und Wachtmeister Kurt Sperr, die auch stets die Begleiter von Bronsart waren, diese Zeilen zu jeder Zeit hätten bestätigen können. Leider weilen beide heute nicht mehr unter den Lebenden.
Zur Sache: Als von Bronsart den Befehl erhielt, eine Panzer-Brigade zu übernehmen, vollzog sich unser "Stellungswechsel" von Ost nach West in aller Eile. Am 20.9.44 landeten wir dann auch in einer mittleren Ortschaft jenseits der Grenze. Man war emsig dabei, den Stabsgefechtsstand einzurichten und wir quartierten uns auch ein so gut es ging. Der Stab versammelte sich zu einer Besprechung, denn v. Bronsart mußte sich nun erst einmal bekannt machen. Noch war ja alles ruhig, in der Ferne hörte man aber Motorengeräusche, die dann stärker wurden, aber es waren unsere Verbände. Später kamen Funksprüche, daß der Feind Bereitstellungen bezieht und in Kürze mit einem Angriff zu rechnen sei. Am 22.9.44, ganz früh, ging es dann auch los. Der Gefechtslärm wurde stärker, aber noch sehr weit weg, beide Seiten waren schon aufeinander gestoßen. V. Bronsart kam in Begleitung einiger Offz. aus dem Gefechtsstand und ging zu seinem Befehlspanzer. Im Vorbeigehen rief er uns noch zu: Bleibt erst mal hier, über unsere weitere Verwendung wurde noch gesprochen. Das waren seine letzten Worte, die er an uns gerichtet hat. Für uns war das der letzte Moment, wo wir ihn lebend gesehen haben. Der Kampflärm flaute allmählich ab, und durch Melder erfuhren wir, daß der erste Angriff abgeschlagen wurde, jedenfalls in diesem Abschnitt.
Nach einiger Zeit kam ein größeres Sanitätsfahrzeug von den Gefechtsstand gefahren. Ein Sani-Feldwebel und ein paar Sanitäter stiegen aus, die hinteren Klapptüren öffneten sich und man holte 3 gefallene Offz. heraus, darunter auch v. Bronsart. Der Feldwebel meldete einemStabs-Offz. und schilderte folgenden Hergang. Da wir in unmittelbarer Nähe standen, konnten wir alles mitbekommen:
V. Bronsart hätte sich mit seinem Panzer viel zu weit vorgewagt und geriet unter heftigen Beschuß, besonders aus der rechten Flanke. Es war starkes Maschinengewehrfeuer von 2 Panzerspähfahrzeugen, die sich durch ein Wäldchen herangearbeitet hatten. Kurz darauf verstummte der Gefechtslärm. So berichtete der San-Feldwebel. Die 4 Offz. waren sofort tot.
In der Nähe war eine Kirche, dort wurden die gefallenen Offz. niedergelegt und von einigen Sanitätern "versorgt", wie man das so nennt. Oberw. Wolf hatte sich etwas mit dem Ia Schreiber bekannt gemacht und erfahren, daß die 4 Offz. nach Freiburg überführt werden sollten und auf dem dortigen Sammelfriedhof beigesetzt werden, und zwar noch am selben Tag. Also mußten die Gefallenen eingesargt werden. Wir drei wollten v. Bronsart noch einmal sehen, was uns auch gestaltet wurde. Da entdeckte ich an seiner zerschossenen Hand seinen Ring. Ich fragte einen San.-Dienstgrad, ob es möglich wäre, den Ring abzuziehen. Nach einigem Zögern meinte er, ich werd's versuchen, was ihm mit Schwierigkeiten auch gelang. Ich habe dabei nicht zugesehen. Hab ihm nachher noch eine Schachtel Zigaretten für sein Vermächtnis gegeben. Ich meldete die Angelegenheit sofort dem zuständigen Stabs-Offz. und zeigte ihm den Ring. Sofort erhielt ich von ihm den Auftrag, mich um die Nachlaßsachen zu kümmern, wir würden sowieso als Begleitkommando bis Freiburg abkommandiert. Dort sollten wir einen Marschbefehl zu unserem zuständigen Truppenteil erhalten. Ja, aber wohin? Da hatte Wolf wieder vorgearbeitet und in Erfahrung gebracht, daß ein Teil der Kav.-Ersatz-Abt. 6 in Worms untergebracht ist, hat auch dort durchgegeben, daß v. Bronsart gefallen sein und nach Freiburg i.Br. überführt würde.
Wir bestiegen mit unseren paar Sachen einen Kleintransporter und wie wir erfuhren, ging es Richtung Colmar. Bei Breisach überquerten wir den Rhein und dann ging's durch bis Freiburg. Dort kamen wir in der Nacht an. Der Lkw mit den Särgen war schon dort und wurde von einem Posten bewacht. In einer Schule wurden wir notdürftig untergebracht. Die Bestattung war für den nächsten Morgen angeordnet. Alles war schon vorbereitet. Das Bestattungskommando und ein Feldprediger waren schon anwesend. Dann ging alles ziemlich schnell. Nach der Beerdigung meldeten wir uns bei einem Oberleutnant aus Worms (nicht Frhr. von Heyl). Wir erkannten ihn, an der Farbe seiner Waffengattung. Etwas wortkarg, aber nicht unfreundlich, übergab er uns den Marschbefehl nach Worms. Unser Gepäck wurde zum Bahnhof gebracht und mit dem nächsten Zug setzten wir uns in Bewegung, bevor wir noch einer Streife in die Arme liefen.
In Worms angekommen, trafen wir einen Hauptwachtmeister, der aber bereits Bescheid wußte. Gesprächsweise erfuhren wir, daß er früher bei der II.Abt.K.R.6 in Bensheim diente, und zwar als Zugführer. Er wurde aber gleich zu Beginn des Frankreichfeldzuges schwer verwundet. Ich erhielt dann den Befehl, mit den Nachlässen von Bonsart sofort nach Berlin zu fahren, die Adresse von Mutter Bonsart wußte ich ja. Die Nachlaßsachen übergab ich dann Frau v. Bonsart. Das alleeschwierigste war, ihr die Todesnachricht persönlich zu überbringen. Ein Begleitschreiben von unserer Dienststelle hatte ich natürlich dabei. Diese Nachricht zu überbringen, ging fast über meine Kräfte.
Ich weiß ja nun nicht, auf welche Weise mein Bericht ausgewertet wird. Ich habe jedenfalls mit bestem Wissen und Gewissen das geschrieben, was ich noch in Erinnerung bringen konnte. Ich möchte nochmals eindeutig wiederholen, daß v. Bronsart nicht in ein Lazarett gekommen ist, er war sofort tot."
Anmerkung: Das einfache Holzkreuz auf dem Friedhof in Freiburg wurde kurz nach dem Kriege durch einen Gedenkstein ersetzt. Daran haben mitgewirkt: Oberst a.D. van Nes, Major a.D. von Meyer und Oberleutnant a.D. Freiherr von Heyl. Die Kameradschaft hatte dann später veranlasst, dass der Gedenkstein nach Darmstadt überführt wurde, wo er in der Stadtschneise und später im Wald Darmstadt-Kranichstein beim Darmstädter Reiterverein aufgestellt wurde und dort seinen endgültigen Platz gefunden hat.
Oberstleutnant i.G. Karl Heinrich Graf von Rittberg
Der nachfolgende Bericht stammt von Herbert von Arnim und erinnert an diesen Offizier, der seinen Patriotismus und seine aufrechte Haltung mit dem Leben bezahlen musste. Im April 1945 wurde er als Ic der Heeresgruppe Süd vom "Standgericht West" wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und erschossen. Wie konnte es dazu kommen?
"Rittberg wurde am 22.1.1914 in Balfanz, Krs. Neustettin, geboren als ältester Sohn des Friedrich-Wilhelm Graf v. Rittberg und seiner Ehefrau Monika geb. v. Moltke aus Kreisau.
Der Vater war Königin-Kürassier in Pasewalk gewesen, so trat Heini Rittberg nach Abitur und landwirtschaftlicher Lehre am 15.19.1933 in Pasewalk in das 6. (Preußische) Reiter-Regiment ein. Kommandeur war s.Zt. Oberst "Bolli" v.d. Schulenburg. Am 1.4.1935 wurde Rittberg zum Leutnant befördert. Das Regiment lag damals schon geschlossen in Schwedt a.d. Oder. 2 Jahre führte Rittberg den Pz.Späh-Trupp in der Stabsschwadron, dann such ihn sich ein Oberstleutnant v. Hülsen als Adjutanten aus, als er im Herbst 1937 in Bensheim die II. (Radf.) Abteilung des Regiments aufstellte. Rittberg wurde von ihm als "der beste Leutnant des Regiments" bezeichnet.
Schon nach einem Jahr wurde Rittberg im November 1938 Regiments-Adjutant beim Kav.-Schützen-Regt. 9, wieder ein Jahr später, im November 1939, Brigade-Adjutant bei der Schützen-Brigade 8 in Sorau. Nach der üblichen Vorausbildung und einem Lehrgang an der Kriegs-Akademie in Berlin im Sommer 1942 wurde Rittberg am 7.12.1942 zum Generalstab kommandiert und am 20.4.1943 dorthin versetzt und zugleich bevorzugt zum Major befördert.
Verwendung fand Rittberg im OKH, Abt. "Fremde Heere Ost". Dort arbeitete er unter General Gehlen und bekam auch Verbindung mit der Widerstandsbewegung. Am 20.7.1944 entging Rittberg nur durch Zufall der Gestapo und der Verhaftung. Man war allerdings auf ihn aufmerksam geworden.
Nach dem Attentat auf Hitler war der Sicherheitsdienst der SS (SD) bemüht, auch seinen Einfluß auf den Ic-Dienst zu vergrößern, nachdem er schon den größten Teil der "Abwehr" von Admiral Canaris vereinnahmt hatte. General Gehlen bemühte sich um Rittbergs Versetzung in eine weniger gefährdete Stellung. Sie erfolgte am 1.11.1944 und Rittberg kam als Ic zur Heeresgruppe Süd, weil - wie General Gehlen ausführte - s.E. "seine Persönlichkeit die Gewähr dafür bot, die Interessen der Wehrmacht gegenüber den Übergriffen des SD erfolgreich zu verteidigen."
Chef des Stabes der Heeresgruppe war Gen.Lt. v. Grolmann. Zwischen ihm und Rittberg entstand ein besonderes Vertrauensverhältnis, leider mußte Grolmann gehen, weil er die letzten Wahnsinnsbefehle der obersten Führung nicht mitzutragen bereit war. Rittberg war sich Grolmanns schützender Hand bewußt gewesen und es war ihm auch klar, daß dessen Versetzung bzw. Ablösung ihn gefährdete. Aufgabe des Ic ist: Feindlagen zu beurteilen. In Sorge um die Entwicklung sprach Rittberg mit Freunden darüber, daß sachlich begründete Lagebeurteilungen vom Tisch gewischt wurden, weil sie an oberster Stelle nicht genehm waren. Die Wahrheit war nicht erwünscht. Wiederholt war Rittberg gewarnt worden, daß er sich in Gefahr bringen könnte. Er glaubte jedoch, nicht verantworten zu können, wenn er Kameraden gegenüber Dinge verschweige, über welche sie s.E. informiert sein müßten.
Das war die Situation, als am Nachmittag des 12. April 1945 das "Standgericht West" unter Gen.Lt. Hübner bei der Heeresgruppe vorfuhr, Rittberg verhaftete und bereits vor Beginn der Verhandlung ein Schanzkommando mit Spaten anforderte.
Ohne Anklageschrift, ohne einen Verteidiger und ohne Zeugen zu vernehmen, wurde Rittberg wegen Zersetzung der Wehrkraft und defätistischer Äußerungen zum Tode verurteilt und anschließend erschossen. So starb einer unserer Besten, den wir nicht vergessen werden.
"Husarenstück" beim Manöver Herbst 1937 im Saarland
Siegfried Röthke erinnert sich: "Während des Manövers hatte ich einen selbständig operierenden Spähtrupp zu führen, dem als Schiedsrichter der damalige Wachtmeister d.Res. Ludwig von Hessen und bei Rhein zugeteilt war. Eine besonders aufregende Begebenheit ist mir noch wach in Erinnerung: Aus guter Deckung von einem Bauernhof aus beobachteten wir ein 'feindliches' Infanterie-Bataillon in dicht aufgeschlossener Kolonne auf der am Hügelkamm verlaufenden Straße vorbeimarschieren, offensichtlich völlig sorglos. Nach Absetzen der Meldung herüber per Tornister-Funkgerät an unsere Aufkl.-Abt. ließ ich das 'Feuer aus allen Rohren' (1 MG und 3 Karabiner) auf die Marschkolonne eröffnen, die ob des unerwarteten Feuerüberfalls erst mal in volle Deckung ging. Durch ständigen Stellungswechsel des MGs täuschte ich dem 100fach überlegenen Gegner eine starke Besatzung des Bauerngehöftes vor, so daß er sich hinter die Bergkuppe zurückzog. Nach geraumer Zeit tauchten Hunderte von Infanteristen in weit auseinandergezogener Linie auf dem Hügelkamm auf und stürmten über die abfallende Pläne auf 'unser' Gehöft zu. Unterstützt wurde dieser 'Sturmangriff' durch heftiges Granatwerfer- und MG-Feuer. Wir unsererseits hielten mit unserem Feuer äußerst erfolgreich dagegen, wie die zahlreichen 'Toten' und 'Verwundeten' bewiesen, die von den dortigen Schiedsrichtern ausgeschaltet wurden und auf freiem Felde liegenbleiben mußten. Im letzten Moment - bevor die Angreifer unser Gehöft erreichten - ließ ich aufsitzen, und wir preschten im Gestreckten Galopp in einem Hohlweg davon, ohne dem 'Feind' auch nur das geringste Ziel geboten zu haben. Über unsere wahre 'Stärke' (besser: Schwäche) dürfte der angreifende Btls.-Kdeur. wohl erst bei der Manöverkritik die Augen geöffnet bekommen haben. Unser Schiedsrichter jedenfalls hatte seine Freude an dem 'Husarenstück' und daran, daß er keinen einzigen 'Verwundeten' zu punkten brauchte."
Sie hieß Virginia (W. Graf Harrach nach einem Bericht von Eberhard Lorenz)
"Als mein Großvater bald nach dem Kriege 1870/71 in Demmin eine Ulaneneskadron übernahm, fand er dort in seinem Stall außer 180 Pferden einen übelriechenden Ziegenbock vor. 'Ohne Gustav geht es nicht,' darauf hatte der Etatsmäßige bestanden, 'sonst kriegen wir Ratten in den Stall." Großvater mußte das schlucken, aber jedes Mal, wenn er des Bockes ansichtig wurde, hielt er sich diskret das feine Batisttaschentuch vor die Nase. Und die Stinkbombe Gustav blieb dort, während sich die klugen Demminer Ratten längst andere Ställe zum Quartier gesucht hatten.
Viele mögen es vergessen haben, doch besaß die 2./K.R.6 wenigstens im Jahr 1935/36 noch ein 'Nicht-Pferd', nämlich das Maultier Virginia, Veteranin aus dem 1. Weltkrieg. Als die USA 1917 in den Krieg eingetreten waren, hatte die Army Mulis mitgebracht. Früher mochten sie im Staat Virginia den Pflug durch die Baumwollfelder gezogen haben, jetzt waren die Kanonen an der Reihe. Die kriegserfahrenen Tiere gingen nach dem Abzug der Amerikaner zum bisherigen Feind über, der Rücktransport hätte sich nicht gelohnt. Virginia blieb nach dem Motto 'Einmal Soldat - immer Soldat' bei der Reichswehr in Schwedt, um dort vielen unterschiedlichen Zwecken zu dienen. Zu unserer Zeit sah man das dunkelbraune Langohr 'dienstlich' nur vor dem kleinen Wagen, mit dem Ogfr. Paule Hellwig jeden das Essen ins Krankenrevier fuhr. Wahrscheinlich wegen des üblen Karbolgeruchs hatte man das Krankenrevier seiner Zeit nicht in das Kasernement einbezogen, sondern im Städtchen belassen. Im übrigen durfte sich die damals schon recht betagte Virginia gelegentlich auf dem Reitgelände vor dem Stall tummeln, wo sie schrille amerikanische Jubelrufe ausstieß und Indianertänze vollführte.
Virgina mag damals nach Pferdejahren etwa so alt gewesen sein wie die ältesten Mitglieder des Vereins ehemaliger Schwedter Dragoner. Das Tempo ihrer Dienstreisen wurde immer langsamer, als Spätrentnerin hätte sie eigentlich längst den Gnadenhafer bekommen sollen. Vor allem das Aufstehen, wenn sie sich einmal hingelegt hatte, fiel ihr immer schwerer. Eines Morgens konnte sie nicht mehr allein hochkommen. Krümperberittführer Gericke schob erst die Schirmmütze ins Genick, dann die Stirn in gedankenreiche Falten und befahl der um ihn stehenden Stallwache - darunter der gleich noch zu erwähnende kleine Rekrut Eduard und der erheblich länger geratene Eberhard Lorenz - drei Forken herbeizuholen. Sie schob man der armen Indianerin unter den Leib, kräftige Fäuste packten zu und auf das Kommando 'Hau-Ruck!' versuchte man das alte Selchen wieder auf die Beine zu stellen. Doch selbst das bißchen Gewicht war den Forkenstielen zuviel. Krach! brachen sie durch und waren zum Leidwesen des Herrn Unteroffiziers nur noch d.u. zu schreiben, ein Verlust, der wahrscheinlich das Mißfallen des Herrn Oberwachtmeisters Löschmann erregen würde.
Doch man gab nicht auf. Nach ebenso umsachverständigem wie lautem Palawer einigte sich die Rettungstruppe auf die sanfte Welle. Mit vereinten Kräften und neuen Mistgabeln versuchte man es noch einmal. 'Langsam! Vorsicht!', mahnte Gericke, der um seine kostbaren Forkenstiele besorgt war, immer wieder, bis plötzlich der mitwirkende Reiter Eduard 'Heureka!' brüllte: Virginia stand wieder auf ihren vier, allerdings recht wackligen Beinen.
Heureka! aber war ein alter griechischer Freudenruf (der ursprünglich 'Ich habe es geschafft!' bedeutete), einen Ruf, den die anderen jugendlichen Rekruten von allen, aber nicht von dem im militärischen Handwerk wenig bewanderten Eduard erwartet hatten, der natürlich einen ganz anderen Namen hatte. Soweit wir uns erinnern, wurde dem braven Langohr bald danach der Abschied aus dem Soldatenleben bewilligt, an dem sich der Reiter Eduard - nunmehr mit dem unsichtbaren Heiligenschein eines hochgradigen Kenners der griechischen Sprache versehen - noch eine Reihe weiterer Monate beteiligen durfte."
Mein Freund Kilian
Kilian war ein Pferd des Kameraden Wichard Graf Harrach, das er eine lange Zeit in Schwedt geritten hatte. Und diesen Vierbeiner musste er eines Tages abgeben, so dass sich beide aus den Augen verloren und Wichard Graf Harrach keine Information über das weitere Schicksal des Pferdes hatte.
Doch schließlich tauchte Kilian wieder auf! Er wurde im März 1940 dem Kameraden Ludwig Schnell (Hillscheid) zugeteilt. Es war jene Zeit bei der 1. Schwadron der Aufkl.-Abt.(tmot)33, in der Ludwig Schnell am Frankreichfeldzug teilnahm. Ludwig Schnell besaß ein Bild Kilians, das er später Graf Harrach zukommen ließ.
Mein Freund Kilian (Eine Pferdegeschichte von Wichard Graf Harrach)
"Kilian - damit ist weder der fränkisch-irische Heilige noch der unvergessene Bobweltmeister gemeint: Keiner von ihnen hatte die Ehre, in meiner Schwedter Schwadron zu dienen. Mein Kilian erhielt seinen Namen vermutlich von der Regiments-Pferde-Tauf-Kommission, die die ankommenden Remonten mit Namen zu versehe hatte, wodurch bei der Fülle gleichzeitig eintretender Vierbeiner oft sehr seltsame Bezeichnungen gewählt werden mußten. Die Pferde störten auch Namen wie "Phantasie" nicht, der jeweilige Reiter nannte sie ohnehin Hans, Liese oder gelegentlich auch "Du-verdammter-Bock-Du". Aber beim Pferdeappell dem Herrn Schwadronschef ins Gesicht zu schreien: "Pferd Leierkasten, Reiter Leiermann": das konnte schon ärgerlich sein.
Für mich war das einfach: "Pferd Kilian, Reiter Graf Harrach", und schon bald hieß es "Nachputzen!" oder "Anführen!", je nachdem, ob der Herr Oberwachtmeister mit Hilfe seines Bleistifts eine Schneewolke bzw. der Herr Oberbeschlagmeister mit dem Hufkratzer ein Stückchen älteren Pferdeapfels zu Tage gebracht hatte. Alte Leute wissen schon, Braune und Füchse appellfähig zu putzen, ist einfach, dagegen ist der Pfleger von Rappen ziemlich darauf angewiesen, wie der Spieß gerade gefrühstückt hat. Und bei Schimmeln kann er nur auf sein Glück vertrauen. Deswegen kamen Schimmel wohl nur bei den Trompeteten vor ...
Mein Kilian war braun mit schöner schwarzer Mähne und ebensolchem Schweif, sowie einem kleinen weißen Stern auf der breiten Stirn. Seine Abstammung war dunkel, er hatte es als Fohlen abgelehnt, sich durch einen Brand auf der linken Hinterbacke als zu einer feinen ostpreußischen bzw. hannoverschen Familie gehörig auszuweisen oder durch die eingebrannte Elchschaufel sogar zum Trakehner Hohen Adel zählen zu lassen. Er liebte das Einfache, dafür aber Heu und Hafer, er war durchaus einverstanden, daß ihn solche begnadeten Remontedresseure wie Herzog, Modrow oder Schumacher die Eignung zur Teilnahme an einer M-Dressur absprachen. Deswegen versetzte ihn die Fa. Roters & Löschmann in den Krümper-Beritt, wo es nicht darauf ankam, ob beim Schenkelweichen an der langen Wand erst der rechte und dann der linke Vorderfuß über- oder voreinander traten.
Auch der schönen, ebenso edlen Kunigunde ward das gleiche Schicksal beschert. Beide fanden sich unversehens bei der "Kolonne Brr" der 2. Schwadron vor dem gleichen Wagen. Für beide galt das Motto des - zu Unrecht oft geschmähten - Trains der Armee:
"Der Train ist blau und hochgeehrt, weil er zum Kampf die Brote fährt."
Zugegeben, es war halt nicht nur Brot für die Männer oder Hafer für die Pferde, was sie ziehen mußten. Manchmal war es hochkarätiger Stallmist, manchmal war es der Herr Leutnant, der sich zum Abendessen nach Zützen oder Hohenkränig kutschieren ließ. Schritt oder Trab - Kilian und Kunigunde zogen die teueren Lasten mit Gleichmut über das Schwedter Pflaster, durch die märkische Heide oder den Altengrabower Sand. Sie blieben ungerührt, ob nun der sie zügelnde Herr Obergefreite Settelkorn die Peitsche knallen ließ oder sein redlich verdientes Schläfchen machte. Eines Tages befanden Ritt- und Oberwachtmeister, daß das Idyll mit Kunigunde sein Ende haben und Kilian zur kämpfenden Truppe, also in den Beritt des unvergleichlichen Unteroffiziers Kagel, zu versetzen sei. Hier wiederum beschloß man, ihn mir als dem Reiter mit der höchsten Kilozahl in der Gruppe anzuvertrauen. Ich erschrak ein bißchen, hatte ich doch anfangs ein ehem. Herrn-Offizierspferd "Gralsritter", dessen Tafel unzählige goldene Schleifen zierten, und nachher die nervöse Filmdiva "Gazelle", die am Bauch so entsetzlich kitzlig war, reiten dürfen. Aber ich beschloß sofort, das Beste aus der Sache zu machen, wie später oft im Kriege, und mit dem dicken Braunen Freundschaft zu schließen. Das lag ganz auf der Linie des freundlichen Tieres. Wir kamen gut zurecht, und wenn es gelegentlich zu weniger liebenswürdigen Bemerkungen aus dem berufenen Munde eines Portepée- oder gar Mützenschnurträgers kam, so bezog sich das mehr darauf, daß ich als einziger Reiter der Gruppe keine Wollhandschuhe anzulegen beliebt hatte oder die Schaken der silbernen Kinnkette nach rechts statt nach links überhingen.
Ich stahl, wenn Futtermeister Gerike nicht achtgab, Hafer für Kilian oder brachte ihm mein im Freßfach hartgewordenes Brot. Als ich eines morgens mit einem Knust im Putzbeutel früher als die Schwadron allein dem Stall zustrebte, lief ich ausgerechnet unserem Rittmeister in die Arme, dem ich ohnehin nicht durch Seelenverwandtschaft verbunden war. Doch siehe da! Als ich ihm den Kanten vorwies, verklärte sich das Gesicht des Pferdefreundes und er ließ mich ungerührt von hinnen schreiten.
Kilian und ich hielten freundschaftliche Schwätzchen, er ließ sich bereitwillig putzen, Augen und Hinterteil (in dieser Reihenfolge) auswischen, ohne Ohrenanlegen satteln. Wir brachten es in der Reitstunde zu großartigen Volten oder fehlerfreien Galoppwechseln, wir seufzten gemeinsam, wenn uns das MG zugedacht wurde oder im Winter Stollen einzuschrauben waren. Am schönsten fanden wir es im Sommer beim dienstlich verordneten "Pferdeweiden", aber auch das Flußübergangsüben in der Alten Oder sagte uns zu, konnte uns Schwimmkünstlern doch der reißende Strom nichts anhaben.
Höhepunkt unseres Zusammenlebens war eine Regimentsübung. Wir waren als Meldereiter eingeteilt. Das Manöver zog sich hin, bis wir mit einer kriegsentscheidenden Sondermeldung von A nach B geschickt wurden. Einer von den beiden, Kilian oder sein Reiter, konnte wahrscheinlich schlecht Karten lesen, kurz, wir verirrten uns heillos in den Oderwiesen. Eigentlich versperrte uns ein Kanal den weiteren Weg. Doch hurra! da war urplötzlich eine Fußgängerbrücke aus Beton. Ich saß ab und versuchte mein Streitroß hinüberzuführen. Sch... , der Sattel machte das Pferd so breit, daß an keine Passage zu denken war. Ich sattelte ab, bat Kilian um Geduld und schleppte den verdammten Sattel hinüber. Der gutmütige Braune blieb rührend an seinem Platz (weil er wohl froh war, mal nicht laufen zu müssen), bis ich ihn nachholte und ans andere Ufer führte. Alles das kostete viel Zeit. Als wir B noch lange nicht erreicht hatten, ließ sich aus der Ferne ein bekanntes Signal hören: Die Übung war zu Ende. Zwei Stunden nach der Schwadron rückten Kilian und ich ein ...
Eines Tages schlug die Stunde der Trennung. Niemals kamen wir wieder zusammen. Was nachher aus dem treuen Kilian geworden ist, konnte mir niemand erzählen. Mir wurden andere Pferde, sogar solche mit wunderschönem Brand und eleganten Gängen zugewiesen, aber einen Freund wie Kilian findet der Kavallerist eben nur einmal im Leben."
Das Ende in Nordafrika vor nunmehr 50 Jahren! (von Dr. Paul E. Klausch)
"Unsere Einheit, eine 'Schnelle Abteilung', bestand aus zwei Radfahrschwadronen und zwei Pak-Kompanien (eine davon auf sfL), wurde Ende 1942 aufgestellt und mit JU 52 und Giganten von Neapel-Pomigliano zum Einsatz nach Afrika geflogen. Das Personal, größtenteils alte Vorkriegssoldaten, hatte schon die Feldzüge Polen, Frankreich und Rußland, bis zu ihrer Verwundung 1942 auf dem Weg nach Stalingrad, in einer Aufklärungsabteilung mitgemacht!
Nach mehreren Gefechten hatte die Abteilung die Bahnstation Sened (etwa 50 km SO von El Gafsa) erreicht und bezog dann Stellung in einem Tal am Auslauf des Schottergebirges. Im Tal lagerte eine nur etwa 20 cm hohe Sandschicht auf dem Gesteinssockel. Eingraben war also nicht möglich. Daher lagen wir dann deckungslos, etwa wie Pappkameraden auf einem Schießübungsplatz, vor den feindlichen Panzern! - Kdr. mit Stab - leider aber auch der Truppenarzt - waren noch aus dem 90 km entfernten Gabes unterwegs, aber kamen nie an!
Nach reger amerikanischer Luftaufklärung näherte sich in der Dunkelheit ihre Vorhut. In einer Senke bezog sie Stellung. Dort wurde sie aufgerieben. Danach stieß das Gros vor (lt. amerikanischer Literatur eine komplette Panzerbrigade mit zwei Infanterie Btl.'n unterstützt von 10 z.T. schweren Artillerie-Batterien. - 'Das Drama begann!' Eine hinter uns stehende italienische Panzer-Abt. wollte in die Kämpfe eingreifen wenn feststand, daß Sened nicht mehr zu halten war, so daß unsere Infanterie (Radfahrschwadronen) sich von Gegner lösen konnte. Zunächst griff nur eine amerikanische Pz.Abt. an, aber der Angriff blieb im Abwehrfeuer stecken und sie verlor 11 Panzer! Auch wir hatten hohe Verluste, nur drei Geschütze waren noch einsatzfähig. - Erst jetzt folgte der Feuerschlag der amerikanischen Artillerie. Wir hatten Glück; die Amerikaner schossen zu kurz! Eine gewaltige Staub- und Ekrasit-Dunstwolke lag unmittelbar vor unseren Stellungen und nahm jegliche Sicht. Die italienische Pz.Abt. riß aus! Von den Verbündeten im Stich gelassen, zogen sich nunmehr auch die Reste unserer Abteilung zurück und liefen dann seitwärts ins Gebirge. Das feindliche Artilleriefeuer wurde vorverlegt und lag jetzt voll in den verlassenen Stellungen! -
Um den Zurückweichenden einen Vorsprung zu ermöglichen, vor allem aber um die Verwundeten von dort weg zu kriegen, war ich mit einem Uffz. am Gegner geblieben. Hinter einem Hausmauerrest hatten wir ein zurückgelassenes sMG in Stellung gebracht. Da wir nach seitwärts ausgewichen waren, bekamen wir die, den Panzern in dichten Rudeln folgende Infanterie mehr und mehr in der Flanke zu fassen. Dadurch geriet der Angriff für kurze Zeit ins Stocken. Dann scherten ein paar Panzer aus und rollten - mit MG-Dauerfeuer - auf uns zu. Dabei wurde ich verwundet! Hinter dem Mauerrest befand sich ein Keller; darin nahmen wir Deckung. Als einer der Panzer den Mauerrest niederwalzte, brach er durch die Kellerdecke und rammte den oberen Rand der hinteren Kellerwand. Das war wie ein Erdbeben! Die auf Hochtouren durchdrehenden Gleisketten rissen einen Teil der Kellerwand heraus. Plötzlich stotterte der Motor und verstummte. Über uns hörten wir dann die Besatzung fluchend aus dem Panzer steigen. Sie ahnten nicht, daß wir unter ihrem Panzer hockten. Wir hörten sie dann weggehen und buddelten uns frei. Nachts liefen wir im Gewitterregen an liegengebliebenen amerikanischen Panzern vorbei, an denen herumrepariert wurde. Die zum stehen gekommene Masse konnten wir nicht umgehen! Aber dort herrschte ein heilloses Durcheinander, so wie ich es zuvor nur einmal, im September 1941, in der Kesselschlacht ostwärts Kiew bei den Russen erlebt hatte - jeder suchte seine Einheit! Im Vorbeigehen fragte jemand: 'Welche Kompanie?' - 'Dritte!' sagte ich (weil das meine Glückszahl war). Aber der andere winkte ab und lief weiter. Als wir durch waren, hängten wir uns einer abmarschierenden Gruppe an, wahrscheinlich ein Spähtrupp der ins Gebirge ging. Wir verschwanden seitwärts. Am Tage verkrochen wir uns in einem Nomadenzelt. In den Nächten marschierten wir ohne zu rasten, weil es in dieser Gegend unheimlich viele Skorpione gab. Am Morgen des zweiten Tages hatten wir die Amerikaner und das Gebirge hinter uns gelassen. Vor uns lag jetzt die Wüste - endlos und flimmernd! An den Marsch durch die Wüste kann ich mich nur noch dunkel erinnern, wahrscheinlich habe ich dabei geschlafen! Als wir nach drei Tagen Magnasi erreicht hatten, brachte man mich zum HVP und von dort ins Feldlazarett. - Inzwischen hatte ich viel Blut verloren und es ging mir schlecht! Eine Woche später gelangte ich mit dem letzten Lazarettschiff nach Bari und von dort per Bahn nach München. Kurze Zeit danach gingen die Reste des 'Deutschen Afrikakorps' in die Gefangenschaft!-"
HANNES (von Dr. Rudolf von Knebel-Doeberitz)
"Wer kennt ihn noch - den schmucken Pasewalker Wachtmeister Johannes Neitzel?
1922 war er bei der 'Fünften' - der späteren 1. Schwadron (1935) - eingetreten. Er stammte aus Friedrichsdorf in Hinterpommern, wo sein Vater im Gutsbetrieb meines Vaters den Kutschstall unter sich hatte. Bei diesem altgedienten Danziger Husaren lernten Hannes und ich nicht nur die Liebe zum Pferde und den pfleglichen Umgang mit ihm, sondern auch das Reiten und Fahren.
Natürlich waren wir zwei Jungens unzertrennliche Freunde; der Altersunterschied von ca. 8 Jahren spielte keine Rolle, wenn wir harmlose Streiche ausheckten oder unerlaubt zu Pferde im Walde verschwanden.
Als ich dann 1934 in Pasewalk eintrat - ebenfalls bei der 'Fünften' - war Hannes inzwischen Wachtmeister des Rekruten-Ausbildungszuges unter dem Leutnant Gerlach von Gaudecker. Stillschweigend ergab sich die Regel, daß Hannes mich Rekruten und ich meinen Vorgesetzten, den Herrn Wachtmeister, nicht kannten. Er sprach in diesen Wochen kein persönliches Wort zu mir, nicht einmal kritisch, als ich - feldmarschmäßig schwer bepackt - beim Aufsitzen nicht schnell genug zurecht kam und den Abmarsch des Zuges aufhielt.
Eines Tages dann im Juni 1934 'Geländedienst zu Fuß' - oh Graus! - auf dem Franzfelder Exerzierplatz: Die Rekruten wurden auf ihr Können im Ausbildungsfach 'Geländebeschreibung' überprüft. Weit auseinandergezogen lagen wir in einem alten Schützengraben, blinzelten in unseren Gelängeabschnitt und warteten auf einen der prüfenden Ausbilder. Plötzlich liegt einer neben mir; ich sehe erstaunt in die Augen meines alten Freundes Hannes, des unnahbaren Zugwachtmeisters, und will von rechts nach links mit der Geländebeschreibung anfangen. Doch er sagt: 'Nix da, mein Junge! Ich will Abschied von Dir nehmen, denn morgen sind meine 12 Jahre rum und ich scheide aus.' Und dann kam's: 'Rudolf, Du hast gemerkt und verstanden, warum ich als Ausbilder in all den Wochen bisher kein Wort zu Dir gesagt habe, - Heute aber nun das Wichtigste für Dein militärisches, für Dein späteres Berufs- und für Dein persönliches Leben: In allen Situationen frage Dich immer zunächst: 1. was will ich? 2. was kann ich? 3. was tue ich? Aber vergiß niemals diese Reihenfolge, denn auf die kommt es an. Diese Lebensregel hat mir Dein Vater mitgegeben, als ich Soldat wurde. Beachte sie; mehr habe ich Dir als Ausbilder nicht zu sagen.' Stand auf, verschwand und ich sah ihn leider niemals wieder.
Hannes hatte seine 12 Dienstjahre voll, ein sehr gutes Examen an der Fachschule gemacht, ging in den Zahlmeisterdienst und fiel 1943 als Stabszahlmeister an der Ostfront.
Sein Rat blieb der wichtigste Gewinn meiner gesamten späteren Ausbildung; ich habe versucht, ihn mein Leben lang zu befolgen und zwar vor allem wegen der von Hannes angeordneten drei Fragen. - Vielen jungen Menschen habe ich diese Regel weitergegeben, die Hannes mir so eindrucksvoll verordnet hatte.
Ehre seinem Gedächtnis!"
Soldaten in Nordafrika: Die Gefreiten Hanne Sobeck und Taerstappen (Ein Bericht von Horst Stobbe, 4./PzAA33)
"In der El Alamain-Stellung war mein Fernsprecher auf dem El Taqua-Plateau Gefr. Hanne Sobeck, ein Vetter des berühmten Fußballspielers bei Hertha BSC gleichen Namens. Das El Taqua-Plateau war etwa 300 m breit. Wir konnten es mit dem Draht nicht umgehen. Auch den Draht eingraben war unmöglich. Das Gestein war zwar nicht Granit, aber trotzdem noch zu hart. Und mit Fernsprechleitungen hatte es eine eigenartige Bewandtnis. Selbst wenn nur eine engl. Granate als "Irrläufer" das Plateau traf, sie erwische den Draht und Sobeck mußte als Störungssucher los. Manchmal mußte er 50 m im Umkreis, das eine Drahtende in der Hand, robbend das andere Ende suchen. Er konnte dann schrecklich fluchen. Die Feuerstellung sollte dann Leitungsprobe machen und gegebenenfalls einen anderen Störungssucher rauf schicken. Sobeck sollte sich mal ausruhen. Doch das tat er nie. Sein "Zuhause" war eben die B-Stelle. Im Laufe der 6 Wochen hat er mir alle seine Liebesabenteuer erzählt. Natürlich mehrmals. Als wir vom Südflügel der El Alamein-Front abrückten, mußte er in einem Jumbo umsteigen. Ich war mit meinem VW Schließender der Abteilung. Zur Einweisung wurde ich nach vorne gerufen und fuhr dadurch an der Zugmaschine vorbei. Sobeck saß in der Zugmaschine, sah mich an, sagte nichts und sagte doch alles. Ich drehte nochmal um und sagte: "Ich habe diesen verdammten Beladeplan nicht gemacht und danach muß ich als Schließender als 4. Mann den Sanitäter mitnehmen." Ich war kaum 10 m in Richtung Spitze gefahren, da erschienen 3 Jakobs im Tiefflug über den Dschebelrand. Ein Vollgeschoß traf die Zugmaschine. - Wir haben ihn schweigend begraben.
Eine Ausnahme in unserer Batterie war Gefr. Taerstappen. Gegen uns war er mit 32 Jahren ein "alter Knabe". Er hatte 12 Jahre Fremdenlegion hinter sich. Ich brauchte einige Zeit, bis er die Vorgesetztenscheu aus seiner Legionszeit ablegte und mir seine Laufbahn erzählte. Er konnte überall eingesetzt werden. Am liebsten war er aber Fahrer eines Jumbo. Neben seinem Sitz stand ein 120 l Kanister. Unseren Verpflegungswein, bitterer franz. Rotwein, mochten wir nicht und der Kanister von Taerstappen wurde von uns immer wieder aufgefüllt. Die Promillegrenze nach der heutigen Verkehrsordnung hatte er wohl ständig überschritten. Doch in der Wüste gab es keine Straßenverkehrsordnung. Vorfahrt hatte sowieso nur der mit der besseren Kanone. Einmal hat er mich rechtzeitig gewarnt. Es war in der Nähe ein Sfax in einem Olivenhain. Wenn wir irgendwo für einige Stunden lagen, erschienen die äußerst geschäftstüchtigen Araber und verkauften uns alles was sie hatten. Ich war ein Milchfan. Kuh-, Ziegen- oder Schafsmilch, ich trank alles. Diesmal warnte er mich: "Ich kenne die Stämme hier, sie sind sehr arm und sie verkaufen sogar die Milch ihrer Frauen." Am nächsten Morgen erschien der Araber mit einer ehemaligen Sektflasche voll Milch. Ich fragte: halib Madame (halib heißt Milch)? Er stutzte erst, stimmte mir aber gleich begeistert zu und zeigte sehr demonstrativ, wie er dazu gelangt war. - Als die Armee kapitulierte, erschien Taerstappen plötzlich als Araber verkleidet. Er wollte nicht in die Gefangenschaft. Er konnte fließend arabisch und französisch und hatte auch eine etwas dunkle Hautfarbe. Wie mag es ihm ergangen sein?"